MoR 04 - Caesars Frauen
hatten mindestens zweimal eine Generalüberholung des Gebäudes nötig gemacht, aber es war immer wieder auf denselben uralten Fundamenten errichtet worden und jedesmal mit den gleichen schmucklosen Tuffblöcken. Nein, dachte Caesar, während er sich umschaute, die Regia ist nie ein Wohnhaus gewesen. Sie war viel zu klein und hatte keine Fenster. Wahrscheinlich steckte auch hinter dem Grundriß eine Absicht; er war so ungewöhnlich, daß er nur einem geheimnisvollen rituellen Zweck gedient haben konnte. Es war ein Viereck von der Art, wie die Griechen es als Trapezoid bezeichneten — keine Seite verlief parallel zu einer anderen. Was für eine religiöse Bedeutung mochte das für die Menschen gehabt haben, die vor so langer Zeit lebten? Es stand nicht einmal in einer bestimmten Richtung, denn dazu hätte es eine erkennbare Vorderfront haben müssen. Vielleicht war gerade das der Grund: Ihr dürft euch keiner Himmelsrichtung entgegenstellen, damit ihr die Götter nicht verärgert! Ja, es war von Beginn an ein Tempel gewesen, daran zweifelte er jetzt nicht mehr. Hier hatte König Numa Pomilius die Rituale des jungen Rom zelebriert.
An der kürzesten Wand befand sich ein Schrein, zweifellos ein Schrein der Ops, einer Gottheit ohne Gesicht, Stofflichkeit und Geschlecht (nur der Einfachheit halber hatte man ihr das weibliche Geschlechtswort gegeben), von der die Mächte regiert wurden, die Roms Staatskassen und die Bäuche der Menschen füllten. Am gegenüberliegenden Ende war eine Öffnung im Dach, unter der in einem kleinen Innenhof zwei Lorbeerbäume wuchsen, ganz schlank und ohne Zweige bis zu der Stelle, wo sie die Köpfe durch die Öffnung steckten, um ein wenig Sonnenlicht zu trinken. Der Innenhof war nicht durch Mauern vom übrigen Raum abgetrennt, sein Erbauer hatte sich mit einer hüfthohen Begrenzung aus Tuffstein begnügt. Und zwischen dieser Begrenzung und dem Ende der Mauer lagen, sorgfältig in vier Reihen aufgestapelt, die vierundzwanzig Schilde des Mars; an der Ecke zur Via Sacra steckten in einem Wandständer die vierundzwanzig dazugehörigen Speere.
Wie gut es sich fügte, daß ausgerechnet er an diesen Ort zurückkehrte, um ihm zu dienen! Er, ein Julier, der in direkter Linie von Mars abstammte. Mit einer Anrufung des Kriegsgottes zog er ganz vorsichtig die Hüllen aus weichem Fell von den Schilden in der obersten Reihe und hielt ehrfürchtig den Atem an, während er sie betrachtete. Dreiundzwanzig von ihnen waren Nachbildungen, einer nur war wirklich der Schild, der auf Geheiß Jupiters vom Himmel gefallen war, um Konig Numa Pompilius vor seinen Feinden zu schützen. Aber die Nachbildungen stammten aus der gleichen Zeit, und niemand außer König Numa Pompilius würde jemals wissen, welches der echte Schild war. Der Legende nach hatte er die Repliken anfertigen lassen, um etwaige Diebe zu verwirren. Nur ein Schild besaß tatsächlich göttliche Zauberkraft. Schilde wie diese fand man sonst nur in Wandmalereien auf Kreta oder dem Peleponnes; sie waren beinahe mannshoch und geformt wie zwei Tränen, die mit ihren spitzen Enden auseinanderstanden, und somit ein schlankes Mittelstück bildeten. Ihre Rahmen waren aus wunderbarem Hartholz gefertigt, über die man die getrockneten Felle schwarzweiß gefleckter Rinder gespannt hatte. Zweimal im Jahr, im März und im Oktober, wenn die patrizischen Priester, die man die Salier nannte, ihren Kriegstanz aufführten, der Anfang und Ende einer Wahlperiode markierte, brachte man die Schilde nach draußen, wo sie auslüften konnten; wahrscheinlich waren sie nur deshalb noch in relativ gutem Zustand. Das waren sie also: seine Schilde, seine Speere. Von so nahe hatte er sie noch nie betrachtet, denn als er das Alter erreicht hatte, in dem er Salier hätte werden können, war er statt dessen der Hamen Dialis geworden.
Das Haus war schmutzig und heruntergekommen, er würde mit Lucius Claudius, dem Rex Sacrorum, reden müssen, damit der seine Schar von Jungpriestern in Aktion brachte. Ein Gestank nach altem Blut lag in der Luft, trotz der Öffnung im Dach, und der Boden war übersät mit Rattenkot. Daß die heiligen Schilde nicht gelitten hatten, kam einem Wunder gleich. Eigentlich hätten die Ratten schon vor Jahrhunderten den letzten Rest der Felle von den Rahmen genagt haben müssen. Die Buchbehälter, die vor der längsten der vier Wände aufgestapelt lagen, hatten nicht soviel Glück gehabt, während die steinernen Tafeln gleich daneben auch den schärfsten
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