MoR 04 - Caesars Frauen
diesem Tag stattfand. Gleich danach reisten die meisten Senatoren wieder ans Meer, denn der Kalender war den Jahreszeiten so weit voraus, daß die heißesten Tage wohl erst noch kommen würden. Caesar blieb aus dem gleichen Grund in der Stadt, der auch Nigidius Figulus und Varro zum Bleiben bewog: Der neue Pontifex Maximus hatte die Entdeckung eines Fundes bekanntgegeben, der sogenannten Steinernen Annalen und Kommentare der Könige. Nachdem Caesar am letzten Tag des Sextilis zunächst das Kollegium der Priester zusammengerufen hatte, um sie als erste zu informieren und ihnen Gelegenheit zu geben, die Tafeln und die Handschriften in Augenschein zu nehmen, benutzte er die Senatssitzung an den Kalenden des September, um seine Entdeckung allen mitzuteilen. Die meisten Männer gähnten nur (wie auch ein paar Priester gegähnt hatten), aber Cicero, Varro und Nigidius Figulus gehörten zu denen, die das Ganze höchst aufregend fanden und beinahe die gesamte erste Hälfte des September damit verbrachten, diese antiken Dokumente genauestens zu studieren.
Caesar, noch immer ein wenig betört von der Geräumigkeit und der Pracht seines neuen Domizils, gab an den Iden desselben Monats ein Essen für Nigidius Figulus, Varro, Cicero und zwei Männer, mit denen er als junger Militärtribun vor den Mauern von Mitylene zu tun gehabt hatte: Philippus Junior und Gaius Octavius. Philippus war zwei Jahre älter als Caesar und würde nächstes Jahr Prätor werden, aber Octavius lag altersmäßig genau in der Mitte zwischen ihnen, er würde also bis zum übernächsten Jahr warten müssen, bis er zum erstenmal als Prätor kandidieren durfte; das lag daran, daß ein Patrizier wie Caesar zwei Jahre früher in ein kurulisches Amt gewählt werden konnte als ein Plebejer.
Der alte Philippus, ein böser, amoralischer Mensch, der vor allem für die Häufigkeit seiner Wechsel zwischen den verschiedenen Faktionen bekanntgeworden war, lebte noch und nahm auch gelegentlich noch an Senatssitzungen teil, aber die Tage seines großen Einflusses auf das Haus waren längst vorbei. Sein Sohn würde ihn nicht ersetzen können, dachte Caesar, weder was die Niedertracht noch was den Einfluß betraf. Der »junge« Philippus war ein überzeugter Epikuräer; zu sehr lagen ihm köstliche Speisen und die schönen Künste am Herzen. Er tat im Senat nicht mehr als seine Pflicht, kletterte die Leiter des cursus honorum hinauf, weil es sein gutes Recht war, aber er hatte keinesfalls den Ehrgeiz, Unfrieden zwischen irgendwelchen politischen Faktionen zu stiften. Er kam mit Cato ebenso zurecht wie mit Caesar, auch wenn er Caesars Gesellschaft eindeutig vorzog. Er hatte eine Gellia geheiratet, und nach ihrem Tode wollte er nicht wieder heiraten, um seiner Tochter und seinem Sohn keine Stiefmutter zumuten zu müssen.
Zwischen Caesar und Gaius Octavius gab es einen besonderen Anreiz zur Freundschaft: Nach dem Tod von Octavius’ erster Frau (eine Ancharia aus der reichen prätorianischen Familie) hatte Octavius um die Hand von Caesars Nichte Atia angehalten, der Tochter von Caesars jüngerer Schwester. Ihr Vater, Marcus Atius Balbus, hatte Caesar um seine Meinung zu dieser Verbindung gebeten, denn Gaius Octavius stammte aus keiner vornehmen, dafür aber unglaublich reichen Familie aus Velitrae im Stammland Latium. Da er sich an Octavius’ Treue während der Zeit vor Mitylene erinnerte und gleichzeitig wußte, daß dieser die schöne und entzückende Atia sehr liebte, befürwortete Caesar die Heirat. Es gab aus der ersten Ehe eine Stieftochter — zum Glück ein umgängliches Mädchen ohne böse Absichten —, jedoch keinen Sohn, der einem zukünftigen Sohn von Atia und Octavius das Erbe hätte streitig machen können. Also wurde der Vertrag geschlossen, und Atia hielt in eines der schönsten Häuser Roms Einzug, auch wenn es seltsamerweise auf der falschen Seite des Palatin stand, am Ende der Straße mit dem Namen »die Ochsenköpfe«. Im Oktober des vorvergangenen Jahres hatte Atia dann ihrem ersten Kind das Leben geschenkt — leider einem Mädchen.
Natürlich drehte sich das Gespräch um die Steinernen Annalen und Kommentare der Könige, auch wenn Caesar aus Respekt vor Octavius und Philippus einige Anstrengungen unternahm, seine drei gebildeteren Gäste davon abzubringen.
»Natürlich bist du eine anerkannte Autorität auf dem Gebiet des alten Rechts«, sagte Cicero, durchaus bereit, von seiner Überlegenheit auf einem Gebiet, dem er wenig Bedeutung für das
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