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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Stimme, die sie von ihm nicht gewöhnt war. »Er kam in den Concordia-Tempel gelaufen und hielt es nicht einmal für nötig, ein wenig abzuwarten. Er hat Caesar deinen Brief im ungünstigsten Augenblick überreicht, gerade als dein geliebter Halbbruder Cato ihn bezichtigte, der führende Kopf der Verschwörung Catilinas zu sein. Und als Cato mitten in seiner Rede merkte, daß Caesar es gar nicht erwarten konnte, den Brief zu lesen, den man ihm überbracht hatte, forderte er ihn auf, ihn doch gleich dem ganzen Hause vorzulesen. Er vermutete, es könnten Beweise für Caesars Verrat darin stehen.«
    »Und Caesar hat ihn vorgelesen«, sagte Servilia mit tonloser Stimme.
    »Ich bitte dich, meine Liebe, nach soviel Intimität mit diesem Mann solltest du ihn eigentlich besser kennen«, sagte Silanus und kräuselte die Lippen. »Dazu ist er viel zu beherrscht. Nein, nein, wenn überhaupt jemand wie ein Sieger aus dieser Angelegenheit hervorgegangen ist, dann war es Caesar. Wer sonst? Er hat Cato ganz einfach angelächelt und zu ihm gesagt, er könne sich vorstellen, daß Cato den Inhalt des Briefes lieber nicht an die große Glocke hängen würde. Dann ist er aufgestanden und hat deinem Halbbruder den Brief höflich und mit ausgesuchter Freundlichkeit überreicht — o ja, das war ein großer Auftritt!«
    »Und wie hat man mich bloßgestellt?« flüsterte Servilia.
    »Cato hat seinen eigenen Augen nicht getraut. Er hat eine Ewigkeit gebraucht, um die paar Zeilen zu entziffern, und der ganze Saal hat in atemloser Spannung gewartet. Dann hat er deinen Brief zusammengeknüllt und wie einen Feuerball auf Caesar geschleudert. Natürlich war die Entfernung zu groß. Philippus hat ihn vom Boden aufgeklaubt und gelesen. Dann ist der Brief durch die ganze Reihe der designierten Prätoren bis zum kurulischen Podium gewandert.«
    »Und alle haben gebrüllt vor Lachen«, stieß Servilia zwischen den Zähnen hervor. »O ja, ich kann es mir vorstellen!«
    »Schlappschwanz«, zitierte er sarkastisch.
    Jede andere Frau wäre zusammengezuckt, aber Servilia sagte bloß: »Dummköpfe!«
    »Es war gar nicht so leicht für Cicero, sich bei der allgemeinen Heiterkeit Gehör zu verschaffen, um die Abstimmung zu verlangen.«
    Nicht einmal die erlittene Schmach minderte ihre Hellhörigkeit für politische Angelegenheiten. »Eine Abstimmung? Weshalb?«
    »Um über das Schicksal der gefangenen Verschwörer zu entscheiden. Die armen Kerle. Hinrichtung oder Exil. Ich habe für die Hinrichtung gestimmt. Dein Brief hat mich dazu gezwungen. Caesar hat für lebenslanges Exil plädiert, und er hatte das Haus auf seiner Seite, bis Cato der Hinrichtung das Wort redete. Cato hat sie alle bekehrt. Die Mehrheit stimmte für eine Hinrichtung. Das hast du erreicht, Servilia. Wenn dein Brief Cato nicht das Maul gestopft hätte, wäre er bis zum Abend nicht mit seiner Dauerrede fertig geworden, und die Abstimmung hätte erst morgen stattfinden können. Ich glaube, bis morgen wäre das Haus zur Vernunft gekommen und hätte sich Caesars Argumentation angeschlossen. Wenn ich Caesar wäre, meine Liebe, dann würde ich dich in Stücke reißen und an die Wölfe verfüttern.«
    Sie war beunruhigt, aber ihre Geringschätzung für Silanus ließ sie die Fassung schnell zurückgewinnen. »Wann sollen die Hinrichtungen stattfinden?«
    »Sie finden in diesem Moment statt. Ich wollte lieber nach Hause gehen und dir Bericht erstatten, bevor Cato es tut.«
    Sie sprang auf. »Brutus!«
    Aber Silanus hatte nicht ohne eine gewisse Befriedigung die Ohren gespitzt und lächelte jetzt säuerlich. »Zu spät, meine Liebe. Cato ist bereits eingetroffen.«
    Trotzdem machte Servilia einen Satz in Richtung Tür und blieb wie erstarrt stehen, als Cato hereingeplatzt kam. Brutus zerrte er am Ohrläppchen hinter sich her.
    »Komm rein, und sieh sie dir an, diese Hure von deiner Mutter!« rief Cato, ließ Brutus’ Ohr los und stieß ihn so heftig, daß er stolperte und wohl gestürzt wäre, wenn Silanus ihn nicht aufgefangen hätte. Der Junge wirkt so fassungslos, dachte Silanus, wahrscheinlich hat er nicht die geringste Ahnung, was hier eigentlich gespielt wird.
    Und warum fühle ich mich so sonderbar? mußte er sich selbst fragen. In einem entlegenen Winkel seiner Seele war Silanus freudig erregt, fühlte sich auf seltsame Weise bestätigt. Heute hatte alle Welt erfahren, daß er ein Hahnrei war, doch angesichts dieser wunderbaren Vergeltung, der wohlverdienten Quittung, die seine Frau erhalten

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