MoR 04 - Caesars Frauen
für sie nehmen werde. Aber keinen Augenblick früher.«
»Caesar, bis dahin sind es fünf Tage! Ehrlich gesagt, ich kann mir kaum vorstellen, daß das arme Mädchen fünf Tage warten kann.«
»Wenn ich sage, daß sie zwanzig Jahre warten soll, Eutychus, dann muß sie zwanzig Jahre warten«, erwiderte Caesar kühl. »Fünf Tage sind keine zwanzig Jahre. Alle Angelegenheiten der Familie und des Hauses müssen fünf Tage warten. Julia hat eine Großmutter. Sie ist nicht allein auf mich angewiesen. Ist das jetzt klar?«
»Jawohl, domine«, flüsterte der Verwalter, schloß vorsichtig die Tür und schlich den Flur entlang, an dessen Ende Julia mit blassem Gesicht, die Finger ineinander verschlungen, auf ihn wartete. »Tut mir leid, Julia, aber er hat gesagt, er will niemanden sehen, bis die neuen Volkstribunen ihr Amt übernommen haben.«
»Eutychus, das kann er nicht gesagt haben!«
»Doch, das hat er. Nicht einmal Frau Aurelia darf zu ihm.«
Und die kam gerade aus dem Atrium Vestae mit zornigem Blick und schmalen Lippen. »Komm«, sagte sie und zog Julia in ihre Suite.
»Du hast es gehört«, sagte Aurelia und schob Julia in einen Sessel.
»Ich weiß nicht so genau, was ich gehört habe«, erwiderte Julia abwesend. »Ich wollte mit tata darüber sprechen, aber er will mich nicht sehen.«
Das stimmte Aurelia nachdenklich. »Nein? Seltsam. Es ist nicht Caesars Art, Menschen oder Tatsachen auszuweichen.«
»Eutychus sagt, er will fünf Tage lang niemanden sehen, nicht einmal dich, avia. Wir müssen warten, bis die neuen Volkstribunen im Amt sind.«
Aurelia begann schweigend im Zimmer auf und ab zu gehen. Mit verschleiertem Blick, aber tapfer zurückgehaltenen Tränen sah Julia ihrer Großmutter dabei zu. Ach, dachte sie, wenn wir drei doch nicht so schrecklich verschiedene Menschen wären.
Jutta war erst sieben, als ihre Mutter starb. Während der prägenden Jahre der Kindheit war Aurelia ihr Mutter und Großmutter in einem gewesen. Aurelia war ständig beschäftigt, nicht besonders zugänglich, streng und unnachgiebig, und doch hatte sie Julia das gegeben, was Kinder am dringendsten brauchen, ein Gefühl der Sicherheit und Zugehörigkeit. Auch wenn sie selten lachte, besaß sie einen treffenden Humor, den sie in den irritierendsten Momenten aufblitzen ließ; und sie hielt nicht etwa weniger von Julia, weil das Kind so gern lachte. Alle Zeit und Fürsorge, die sie erübrigen konnte, hatte sie in die Erziehung ihrer Enkelin gesteckt, hatte ihr beigebracht, wie man sich geschmackvoll kleidet, und ihren Manieren einen gnadenlosen Schliff angedeihen lassen. Ganz zu schweigen von der unsentimentalen, ungeschminkten Art, mit der Aurelia ihrer Enkeltochter beigebracht hatte, ihr Los zu akzeptieren — es dankbar, stolz und ohne Groll zu akzeptieren.
»Es hat keinen Sinn, sich eine andere oder bessere Welt zu wünschen« lautete einer von Aurelias Wahlsprüchen. »Wir haben keine andere, deshalb müssen wir so zufrieden und glücklich in ihr leben, wie wir es vermögen. Wir können uns nicht gegen unser Schicksal wehren, Julia.«
Abgesehen von seiner Disziplin war Caesar ganz anders als seine Mutter, und es war Julia nicht entgangen, daß schon der geringste Anlaß zu den heftigsten Auseinandersetzungen zwischen den beiden führen konnte. Aber für seine Tochter war Caesar der Anfang und das Ende jener Welt, die zu akzeptieren Aurelia sie gelehrt hatte — nicht gerade ein Gott, aber ganz sicher ein Held. Julia konnte sich keinen Menschen vorstellen, der vollkommener, klüger, gebildeter, attraktiver, römischer gewesen wäre als ihr Vater. O ja, sie kannte seine Fehler (auch wenn er nicht mit ihr darüber redete), sie wußte um seine aufbrausende Art, die Unsitte, mit den Menschen zu spielen wie die Katze mit der Maus — erbarmungslos, kühl und mit vergnügtem Lächeln um die Lippen.
»Es muß einen zwingenden Grund dafür geben, daß Caesar sich von uns zurückzieht«, sagte Aurelia plötzlich. Sie war stehengeblieben. »Er hat nicht etwa Angst, uns unter die Augen zu treten. Da bin ich absolut sicher. Ich kann nur annehmen, daß seine Motive nichts mit uns zu tun haben.«
»Und wahrscheinlich auch nichts mit dem, was uns beiden keine Ruhe läßt.«
Aurelia ließ ihr hübsches Lächeln aufblitzen. »Ganz genau. Du wirst von Tag zu Tag gescheiter, Julia.«
»Dann muß ich eben mit dir reden, avia, bis er wieder Zeit für mich hat. Ist es wahr, was ich am Porticus Margaritaria gehört habe?«
Ȇber deinen
Weitere Kostenlose Bücher