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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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konnte, wenn es nötig wäre, »bist du zweifellos alt genug, um zu begreifen, wie die Welt funktioniert, und deshalb wird es Zeit, daß ich dich über gewisse Angelegenheiten aufkläre. Bei der Geschichte geht es ganz einfach darum«, fuhr sie beinahe im Plauderton fort, »daß Julias Vater seit ein paar Jahren mein Liebhaber ist.«
    Er beugte sich vor und legte das Gesicht in die Hände, unfähig, auch nur zwei Gedanken zusammenzubringen — ein unglückseliges Häuflein Verwirrung und Seelenschmerz. Zuerst die Vorgänge im Concordia-Tempel, denen er vom Eingang aus zugehört hatte, dann der Bericht an seine Mutter; die Beschäftigung mit den Schriften des Fabius Pictor war leider nur ein Zwischenspiel gewesen, denn bald darauf war Onkel Cato erschienen und hatte ihn am Ohr mit sich fortgezogen; Onkel Cato hatte seine Mutter angebrüllt, Mama hatte Onkel Cato angegriffen und... und — wieder wurde Brutus vom Entsetzen über das gepackt, was seine Mutter getan hatte. In seiner Verzweiflung legte er das Gesicht in die Hände und weinte.
    Und jetzt auch noch das: Mama und Caesar waren ein Liebespaar, seit Jahren schon. Was empfand er dabei? Was sollte er dabei empfinden? Brutus ließ sich gern anleiten; er haßte dieses Gefühl der Unsicherheit, das ihn überkam, wenn man ihm Entscheidungen abverlangte — vor allem Entscheidungen, die sein Seelenleben betrafen —, ohne ihm vorher Gelegenheit zu geben, sich bei Plato oder Aristoteles Rat zu holen, nachzulesen, wie diese großen Denker sich über solche unzugänglichen, schwer zu ergründenden Dinge geäußert hatten. Irgendwie schien er nicht fähig, bei dieser Sache überhaupt etwas zu empfinden. Der ganze Streit zwischen Mama und Onkel Cato wegen dieser Sache? Warum? Mama machte sich ihr eigenes Gesetz; ganz sicher wußte das Onkel Cato. Wenn Mama einen Liebhaber hatte, dann gab es dafür einen guten Grund. Und wenn Caesar Mamas Liebhaber war, dann gab es auch dafür einen guten Grund. Mama tat nichts ohne Beweggrund. Nichts!
    Weiter war er noch nicht gekommen, als Servilia, die von seinem tonlosen Weinen genug hatte, zu ihm sagte: »Cato ist nicht ganz richtig im Kopf, Brutus. Er war es noch nie, auch als kleiner Junge nicht. Der Wahnsinn hat ihn gepackt, und es ist im Laufe der Jahre nicht besser geworden. Er ist dumm, engstirnig, bigott und unglaublich selbstgefällig. Es geht ihn nichts an, was ich mit meinem Leben mache, und auch du gehst ihn nichts an.«
    »Ich habe nicht gewußt, wie sehr du ihn haßt«, sagte Brutus, nahm die Hände vom Gesicht und blickte sie an. »Mama, du hast ihn für sein Leben gezeichnet! Für sein Leben!«
    »Um so besser!« erwiderte sie und wirkte sichtlich zufrieden. Doch dann wurde sie sich endlich des Anblicks bewußt, den ihr Sohn ihr bot, und sie zuckte zusammen. Wegen der vielen Pickel konnte er sich nicht richtig rasieren, er mußte sich darauf beschränken, die dichten, schwarzen Bartstoppeln möglichst kurz zu halten, und mit den vielen Pickeln, zwischen denen jetzt überall der Speichel klebte, sah er mehr als nur häßlich aus. Er bot ein grauenvolles Bild. Mit der Hand tastete sie hinter sich zwischen Flaschen und Gläsern nach einem kleinen Lappen, den sie ihm zuwarf. »Wisch dir das Gesicht ab und putz dir die Nase, Brutus!
    Catos Kritik an dir kann ich nicht gutheißen, aber manchmal bin ich schon sehr enttäuscht von dir.«
    »Ich weiß«, flüsterte er. »Ich weiß.«
    »Ach, so schlimm ist es auch wieder nicht«, munterte sie ihn sogleich wieder auf, stellte sich hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die gebeugten Schultern. »Du hast deine Herkunft, deinen Reichtum, deine Bildung, deinen Einfluß. Und du bist noch nicht einmal zwanzig. Die Zeit wird dich bessern, mein Sohn, dagegen wird Cato auch die Zeit nichts nützen. Den bessert gar nichts mehr.«
    Ihr Arm fühlte sich bleischwer an, aber er traute sich nicht, ihn abzuschütteln. Er richtete sich nur ein wenig auf. »Darf ich gehen, Mama?«
    »Ja, wenn du meinen Standpunkt verstanden hast.«
    »Ich habe ihn verstanden, Mama.«
    »Was ich tue, ist meine Sache, Brutus, und ich denke nicht daran, mich wegen der Affäre mit Caesar vor dir zu rechtfertigen. Silanus weiß Bescheid. Er weiß es schon lange. Und daß Caesar, Silanus und ich unser kleines Geheimnis lieber für uns behalten haben, ist ja wohl verständlich.«
    Brutus’ Gesicht hellte sich auf. »Tertia!« stieß er hervor. »Tertia ist Caesars Tochter, nicht Silanus’! Deshalb sieht sie Julia so

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