MoR 04 - Caesars Frauen
ähnlich.«
Servilia betrachtete ihren Sohn mit einer gewissen Bewunderung. »Wie gescheit du bist, mein Sohn. Ja, Tertia ist von Caesar.«
»Und Silanus hat es gewußt.«
»Von Anfang an.«
»Der arme Silanus!«
»Spar dir dein Mitleid für Leute, die es verdienen.«
Ein kleiner Funken Kühnheit erglomm in Brutus’ Herzen. »Und Caesar?« fragte er. »Liebst du ihn?«
»Mehr als jeden anderen auf der Welt, abgesehen von dir.«
»Ach, der arme Caesar!« sagte Brutus und verschwand, bevor sie noch etwas sagen konnte. Sein eigener Mut verursachte ihm heftiges Herzklopfen.
Silanus hatte dafür gesorgt, daß dieser einzige männliche Nachkomme eine große, komfortable Zimmerflucht ganz für sich allein hatte, von der aus man einen schönen Ausblick auf den Innenhof hatte. Dorthin zog Brutus sich zurück, aber nicht für lange. Nachdem er sich das Gesicht gewaschen und den Bart auf minimale Länge zurechtgestutzt hatte, kämmte er sich das Haar, rief den Hausdiener, damit er ihm in die Toga half, und verließ das düstere Haus des Silanus. Er ging jedoch nicht allein durch die Straßen Roms. Da es bereits dunkel geworden war, ließ er sich von zwei Sklaven mit Fackeln begleiten.
»Darf ich Julia besuchen, Eutychus?« fragte er an Caesars Tür.
»Es ist sehr spät, domine, aber ich werde nachsehen, ob sie noch auf ist«, erwiderte der Verwalter respektvoll und ließ ihn ein.
Natürlich wollte sie ihn empfangen; Brutus stieg leise die Treppe hinauf und klopfte an ihre Tür.
Nachdem sie geöffnet hatte, nahm sie ihn in die Arme, hielt ihn einfach fest und schmiegte ihre Wange an sein Haar. Die wunderbarsten Gefühle von Frieden und endloser Wärme sickerten von der Haut bis ins Mark seiner Knochen; Brutus verstand auf einmal, was die Leute meinten, wenn sie davon sprachen, daß es nichts Schöneres gab, als nach Hause zu kommen. Sein Zuhause war Julia. Die Flamme seiner Liebe zu ihr loderte auf, die Tränen, die unter den geschlossenen Lidern hervorquollen, taten unendlich gut; er klammerte sich an ihr fest und sog ihren Duft in sich hinein, der so betörend war wie alles an ihr. Julia, Julia, Julia...
Ohne von einem bewußten Willen gesteuert zu sein, glitten seine Hände auf ihren Rücken, er hob den Kopf von ihrer Schulter und suchte ihren Mund, dabei stellte er sich so ungeschickt an, daß sie seine Absicht zuerst nicht verstand — und auf einmal war es zu spät, um sich zurückzuziehen, ohne seine Gefühle zu verletzen. So erfüllte der erste Kuß ihres Lebens Julia wenigstens mit Mitleid für seinen Spender, und sie fand ihn längst nicht so unangenehm, wie sie erwartet hatte. Seine Lippen fühlten sich gut an; weich und trocken, und mit geschlossenen Augen konnte sie sein Gesicht nicht sehen. Weitere Intimitäten forderte er nicht von ihr. Nach zwei weiteren Küssen gab er sie wieder frei.
»Oh, Julia, ich liebe dich so sehr!«
Was hätte sie darauf erwidern sollen als: »Brutus, ich liebe dich auch«?
Dann zog sie ihn in ihr Zimmer hinein und setzte ihn auf eine Liege.
Sie selbst nahm in einigem Abstand auf einem Stuhl Platz. Die Tür war nur angelehnt.
Ihr Zimmer war geräumig und — zumindest in Brutus’ Augen — außergewöhnlich schön. Ihre Hand war überall zu spüren, und es war keine gewöhnliche Hand. Die Wandmalereien zeigten Vögel und zarte Blumen in hellen, klaren Farben; das Zimmer war sparsam eingerichtet, kein tyrischer Purpur, keine Vergoldungen.
»Deine Mutter und mein Vater«, sagte sie.
»Was bedeutet das?«
»Für sie oder für uns?«
»Für uns. Woher sollen wir wissen, was es für sie bedeutet?«
»Ich glaube«, sagte sie langsam, »es wird uns nicht weiter schaden. Es gibt kein Gesetz, daß ihnen die Liebe verbietet, nur weil wir verlobt sind. Aber die Leute werden die Nase rümpfen.«
»Die Tugend meiner Mutter ist über jeden Vorwurf erhaben, und diese Sache wird daran nichts ändern!« gab Brutus zurück, aber es klang ein wenig nach Trotz.
»Natürlich nicht. Mein Vater ist ein einmaliges Ereignis im Leben deiner Mutter. Servilia ist keine Palla oder Sempronia Tuditani.«
»Ach, Julia, es ist wunderbar, daß du alles verstehst!«
»Es fällt ja nicht schwer, sie zu verstehen, Brutus. Meinen Vater kann man nicht mit anderen Männern in einen Topf werfen, und ebenso ist deine Mutter eine außergewöhnliche Frau.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Wenn man bedenkt, was für Menschen die beiden sind, war es womöglich unvermeidlich, daß sie
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