MoR 04 - Caesars Frauen
war nicht zu übersehen, daß die Geschworenen ihnen ihr Ohr nicht schenken wollten und auch beim Anblick des armen alten Gaius Rabirius, der sich an seine Barriere klammerte, nicht in Tränen ausbrachen. Als das Verfahren am zweiten Tag pünktlich wieder aufgenommen wurde, wußten Hortensius und Cicero, daß sie ihr Bestes würden geben müssen, wenn sie noch einen Freispruch für Rabirius erreichen wollten. Leider gelang das keinem von beiden. Die Gicht, von der so viele Männer geplagt wurden, die gern Fisch aßen und überhaupt den Annehmlichkeiten des Speisesofas und des Weinkrugs verfallen waren, ließ den armen Hortensius nicht in Ruhe; obendrein war er gezwungen gewesen, seine Heimreise von Misenum in einem Tempo fortzusetzen, das dem Zustand seines besonders stark schmerzenden großen Zehs nicht zuträglich gewesen war. Er stand während seiner Rede wie festgeleimt an seinem Platz, schwer auf einen Gehstock gestützt, eine Haltung, die seinem Vortrag nicht förderlich war. Gleich darauf lieferte Cicero eine der farblosesten Reden seiner Karriere, beeinträchtigt durch die Zeitbeschränkung und die Prämisse, daß zumindest ein Teil des Gesagten der Verteidigung seines eigenen Ansehens und nicht dem des Rabirius dienen sollte — auch wenn er dabei natürlich sehr vorsichtig zu Werke ging.
Der größte Teil des Tages stand noch zur Verfügung, als Caesar das Los warf, um zu sehen, welche Zenturie der ersten Klasse das Vorrecht hatte, als erste zur Abstimmung zu schreiten; nur die einunddreißig ländlichen Tribus durften an dieser Verlosung teilnehmen, und der Tribus, auf den das Los fiel, wurde zur Abstimmung gerufen, noch bevor die normale Prozedur begann. Alle Aktivitäten wurden so lange eingestellt, bis die Stimmen dieser ersten Zenturie ausgezählt waren und man der wartenden Versammlung das Ergebnis verkündet hatte. Wie auch immer die Junioren dieses ausgewählten ländlichen Tribus sich entschieden, die Vergangenheit hatte gezeigt, daß sie sehr oft das Endergebnis der gesamten Wahl — oder des Strafprozesses — vorwegnahmen. Deshalb hing viel davon ab, welcher Tribus vom Los dazu bestimmt wurde, ein solches Präjudiz zu schaffen. Wenn es Ciceros Cornelier oder Catos Papirier waren, stand Ärger bevor.
» Clustumina inniorum !« Die Junioren des tribus Clustumina .
Der Tribus von Pompeius dem Großen, ein gutes Omen, dachte Caesar, als er sein Tribunal verließ und in die saepta ging, um am Ende der rechten Brücke Aufstellung zu nehmen, über die die Wähler zu den Körben gelangten, in denen die kleinen, mit Wachs beschichteten hölzernen Tafeln aufbewahrt wurden.
Die saepta war ein nicht überdachtes Labyrinth aus tragbaren hölzernen Palisaden und Korridoren, die den Erfordernissen einer bestimmten Versammlung angepaßt werden konnten. Im Volksmund wurde sie Schafspferch genannt, weil sie der Konstruktion ähnelte, mit deren Hilfe die Bauern ihre Schafe sortierten. Die Wahlen der Zenturien fanden immer in der saepta statt, und manchmal hielten auch die Tribus dort ihre Wahlen ab, wenn der Vorsitzende Magistrat das Komitium angesichts einer großen Zahl an Wählern für zu klein befand und nicht auf den Castor-Tempel ausweichen wollte.
Jetzt werde ich gleich vor mein Schicksal treten, dachte Caesar nüchtern, als er sich dem Eingang des seltsamen Verschlags näherte — das Urteil wird so ausfallen, wie die Junioren der Clustuminer abstimmen, das habe ich im Gefühl. LIBERO für Freispruch, DAMNO für schuldig. DAMNO muß es lauten! Unter allen Umständen DAMNO!
In diesem bedeutungsvollen Augenblick erblickte er Crassus, der nachdenklicher als sonst neben dem Eingang stand. Um so besser! Wenn nicht einmal diese Angelegenheit es vermocht hätte, den leidenschaftslosen Crassus zu berühren, dann hätte sie ihren Zweck wohl kaum erfüllen können. Aber er wirkte nachdenklich, ganz zweifellos.
»Eines Tages«, sagte Crassus, als Caesar vor ihm stand, »wird so ein Tölpel von Schafshirt mir mit seinem Färberstab einen zinnoberroten Fleck auf die Toga drücken und zu mir sagen, daß ich ja nicht versuchen soll, mich ein zweites Mal hineinzuschummeln, um meine Stimme abzugeben. Wenn Schafe gekennzeichnet werden, warum nicht auch Römer?«
»Darüber hast du gerade nachgedacht?«
Ein winziges Zucken in Crassus’ Gesicht war der einzige Hinweis auf sein Erstaunen. »Ja. Aber dann hab’ ich gedacht, daß es nicht römische Art wäre, uns zu kennzeichnen.«
»Da hast du recht«, sagte Caesar,
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