MoR 04 - Caesars Frauen
habe ich deine Krallen auch schon zu spüren bekommen.«
»Aber nur da, wo sie nicht jeder sehen kann.«
»Dafür soll ich dir wohl noch dankbar sein.«
Sie beugte sich erwartungsvoll vor. »Wie hat er ausgesehen? Habe ich ihn schlimm zerkratzt?«
»Er hat entsetzlich ausgesehen, so, als wäre eine Harpyie über ihn hergefallen.« Er grinste. »Je länger ich darüber nachdenke — eigentlich wäre >Harpyie< eine passendere Bezeichnung für dich als >Schlampe< oder >Hure<. Aber freu dich nicht zu früh. Cato hat eine gute Haut. Die Kratzer werden wieder verschwinden.«
»Auch bei dir dauerte es seine Zeit.«
»Cato und ich haben die gleiche Haut. Die Erfahrungen im Krieg lehren einen Mann, zu beurteilen, was bleibt und was nicht.«
Ein weiterer tiefer Seufzer. »Was soll ich bloß mit dir machen, Servilia?«
»Mit der Frage zäumst du das Pferd von hinten auf, Caesar. Die Initiative solltest du lieber mir überlassen.«
Er mußte lachen. »Unsinn«, sagte er etwas freundlicher.
Sie wurde blaß. »Du meinst also, ich liebe dich mehr als du mich.«
»Ich liebe dich überhaupt nicht.«
»Und warum sind wir dann zusammen?«
»Du bist gut im Bett, und das findet man nicht oft bei Frauen aus deiner Klasse. Die Kombination gefällt mir. Außerdem hast du mehr Verstand zwischen den Ohren als die meisten anderen Frauen, auch wenn du eine Harpyie bist.«
»Und du meinst, da ist er lokalisiert?«
»Wer?«
»Unser Denkapparat. Zwischen den Ohren.«
»Frag einen Arzt oder Soldaten, und er wird es dir erzählen. Schläge auf den Kopf schaden unserem Denkapparat. Cerebrum, das Gehirn. Das, wovon die Philosophen reden, ist nicht das Gehirn. Die reden von der anima. Von dem belebenden Geist, der Seele. Der Teil, der Gedanken hervorbringt, die nichts mit den Sinnen zu tun haben, von der Musik bis zur Geometrie. Der Teil, der in den Himmel aufsteigen kann. Wo der in unserem Körper sitzt, wissen wir nicht. Im Kopf, in der Brust, im Bauch... « Er lächelte. »Vielleicht sogar im großen Zeh. Das wäre gar nicht mal unlogisch, wenn man bedenkt, wie die Gicht Hortensius zusetzt.«
»Ich glaube, du hast meine Frage beantwortet. Ich weiß jetzt, warum wir zusammen sind.«
»Warum?«
»Deshalb. Ich bin dein Wetzstein. An mir schärfst du deinen Verstand, Caesar.«
Sie erhob sich aus dem Sessel und begann, ihre Kleider abzulegen. Plötzlich verlangte es Caesar nach ihr, aber er wollte sie nicht zärtlich behandeln. Eine Harpyie zähmte man nicht mit Zärtlichkeit. Eine Harpyie war eine monsterähnliche Erscheinung, die mußte man auf dem Fußboden nehmen; man hielt ihr die Klauen auf dem Rücken fest, schlug ihr die Zähne in den Hals und nahm sie gleich mehrmals hintereinander.
Die rohe Behandlung machte sie zahm; sie wurde sanft wie ein Kätzchen und ließ sich zum Bett tragen.
»Hast du jemals eine Frau geliebt?« wollte sie von ihm wissen.
»Cinnilla«, antwortete er, ohne zu zögern, und schloß die Augen, um nicht weinen zu müssen.
»Warum?« fragte die Harpyie. »Was war schon Besonderes an ihr? Obschon Patrizierin, war sie weder geistreich noch intelligent.«
Statt einer Antwort drehte er sich auf die andere Seite und tat so, als wäre er eingeschlafen. Mit Servilia über Cinnilla reden? Niemals!
Warum hat er sie so sehr geliebt, falls es Liebe war, was er für sie empfand? Cinnilla hatte ihm von dem Tag an gehört, an dem er sie an der Hand nahm und aus dem Haus des Gaius Marius führte, zu einer Zeit, als der Alte nur noch ein schwachsinniger Schatten seiner selbst war. Wie alt war er damals? Dreizehn? Und sie war sieben, ein bezauberndes kleines Ding. Dunkel, unbeholfen und so lieb... Beim Lächeln hatte sich ihre Oberlippe gekräuselt, und sie hatte oft gelächelt. Die Freundlichkeit in Person. Hatte er sie so sehr geliebt, weil sie von Kindesbeinen an zusammen gewesen waren? Oder lag es daran, daß der alte Gaius Marius ihm — indem er ihn an ein Priesteramt band und ihm ein Kind zur Frau gab, das er nicht einmal kannte —, ein so kostbares Geschenk gemacht hatte, wie er nie wieder eines bekommen würde?
Er richtete sich ruckartig auf und gab Servilia einen so kräftigen Schlag aufs Hinterteil, daß sie die Stelle noch am Abend spüren würde. »Zeit zu gehen«, sagte er. »Los, Servilia, geh! Du mußt jetzt gehen!«
Sie ging, ohne noch ein Wort zu sagen, und sie hatte es auf einmal sehr eilig; irgend etwas in seinem Gesicht hatte sie mit derselben Angst erfüllt, die ihr eigener Anblick manchmal
Weitere Kostenlose Bücher