MoR 04 - Caesars Frauen
nicht weiter blickten als bis zu den letzten Skandalen? Keiner der drei besaß das Talent oder die Intelligenz eines Curio oder Decimus Brutus oder Clodius, aber sie hatten etwas, das auf seine Weise noch größere Anziehung auf die Leute ausübte. Es war die Faszination, die auch von Gladiatoren oder Wagenlenkern ausging: eine Dominanz, die auf nichts anderem als roher Körperkraft beruhte. Marcus Antonius erschien für gewöhnlich nur in eine Tunika gekleidet, ein Aufzug, der es den Leuten gestattete, seine gewaltigen Waden und Armmuskeln zu bewundern sowie die Breite der Schultern, den flachen Bauch, die mächtige Wölbung des Brustkorbs, die Unterarme, die kräftig wie Stämme junger Eichen waren. Überdies zog er sich die Tunika so stramm über die Vorderseite, daß niemand die Umrisse des Penis, der sich darunter abzeichnete, für Staffage halten konnte. Frauen seufzten und gerieten ins Schwärmen; Männer schluckten betreten und wünschten sich weit fort. Er hatte ein sehr häßliches Gesicht mit einer großen Hakennase, die eine deutliche Tendenz erkennen ließ, sich über die wulstigen Lippen hinweg mit dem gewaltigen, aggressiven Kinn zu vereinen; die Augen lagen sehr dicht beieinander und versteckten sich hinter fleischigen Wangen. Sein kastanienfarbenes Haar jedoch war dicht, fest und lockig, und die Frauen machten Scherze darüber, daß es ein großer Spaß sein müsse, den Mund für einen Kuß zu suchen, ohne dabei von Kinn oder Nase gekitzelt zu werden. Kurz gesagt: Marcus Antonius (gleiches galt in geringerem Maße für seine Brüder) mußte kein großer Redner und kein gewandter Anwalt sein; es reichte völlig aus, wenn er als das eindrucksvolle Ungetüm aufkreuzte, das er zweifellos war.
Cicero hatte also einige gute Gründe, den Senat bis zum Jahresende nicht mehr zusammenzurufen — auch wenn Caesar allein schon Grund genug gewesen wäre.
Als die Sonne am letzten Tag des Dezember gerade untergehen wollte, begab sich Cicero in die Volksversammlung, um die Insignien seines Amtes niederzulegen. Er hatte seinen Abschied lange und gründlich vorbereitet, er wollte sein Jahr auf der konsularischen Bühne mit einer Rede beschließen, wie sie Rom noch nie gehört hatte. Das verlangte sein Stolz. Selbst wenn Antonius Hybrida in Rom gewesen wäre — er wäre keine Konkurrenz gewesen, doch jetzt hatte Cicero die Bühne ganz für sich allein. Um so besser.
»Quirites«, begann er und bemühte seine melodiöseste Stimme, »dies war ein folgenschweres Jahr für Rom... «
»Veto! Veto!« rief Metellus Nepos aus dem Komitium herauf. »Ich lege mein Veto gegen deine Rede ein, Cicero! Einem Mann, der römische Bürger ohne Prozeß hinrichten läßt, dürfen wir es nicht gestatten, seine Taten öffentlich zu rechtfertigen! Halt den Mund, Cicero! Lege deinen Eid ab und verschwinde von der Rostra!«
Einen langen Augenblick herrschte absolute Stille. Natürlich hatte der Erste Konsul gehofft, der Andrang würde groß genug sein, um eine Verlegung der Veranstaltung vom Komitium zur Rostra des Castor-Tempels erforderlich zu machen, aber das war nicht der Fall. Atticus hatte gute Arbeit geleistet; Ciceros Gefolgsleute aus der Ritterschaft waren in dem Bemühen, der Opposition zahlenmäßig überlegen zu sein, vollständig erschienen. Aber daß Metellus Nepos sein Veto gegen etwas so Traditionelles wie die Rede des scheidenden Konsuls einlegen könnte, war Cicero nicht im Traum eingefallen. Und dagegen war nichts zu machen, zahlenmäßige Überlegenheit hin oder her. Zum zweitenmal innerhalb weniger Tage wünschte Cicero von Herzen, Sullas Verbot des tribuzinischen Vetos wäre noch in Kraft. Das war es aber nicht. Und wie sollte er jetzt etwas sagen?
Schließlich begann er, die uralte Eidesformel zu sprechen, und als er damit fertig war, fügte er noch hinzu: »Und darüber hinaus schwöre ich, daß ich ganz allein mein Vaterland gerettet habe, daß ich, Marcus Tullius Cicero, Konsul des Senats und des Volkes von Rom, die Aufrechterhaltung einer legalen Regierung gewährleistet und Rom vor seinen Feinden bewahrt habe!«
Atticus brach in lauten Jubel aus, in den seine Gefolgsleute stimmgewaltig einfielen. Außerdem hatten die jungen Leute darauf verzichtet, zu erscheinen und durch Buhrufe und Mißfallenskundgebungen zu stören; die letzte Nacht des Jahres stand bevor, und sie hatten offensichtlich Besseres zu tun, als Cicero dabei zuzusehen, wie er sein Amt niederlegte. Auch eine Art Sieg, dachte Marcus Tullius
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