MoR 04 - Caesars Frauen
zu einer der drei Ruhebänke hinüber und setzte sie neben sich ab.
»Ich hatte einen wunderschönen Tag, tata. Sind die richtigen Leute zu Volkstribunen gewählt worden?«
Sein Lächeln ließ in den äußeren Winkeln der Augen einen Fächer aus Falten entstehen; er hatte von Natur aus eine helle Haut, doch lange Jahre des Lebens auf Foren und Gerichtsplätzen oder an den Schauplätzen seines Militärdienstes hatten die der Sonne ausgesetzten Oberflächen gebräunt und dabei nur die Falten um die Augen herum ausgespart, die tief drinnen ganz weiß geblieben waren. Dieser Kontrast faszinierte Julia, die ihn am liebsten hatte, wenn er nicht gerade lächelte oder die Augen zusammenkniff, sondern die Fächer aus weißen Streifen zeigte wie ein Barbar seine Kriegsbemalung. Und so kletterte sie auf seine Knie, um zuerst den einen und dann den anderen Fächer zu küssen, während er seinen Kopf auf ihre Lippen zubewegte, innerlich dahinschmelzend wie sonst bei keinem weiblichen Wesen, nicht einmal bei Cinnilla.
»Du weißt sehr gut«, antwortete er, als das Ritual beendet war, »daß nicht nur die richtigen Leute Volkstribunen werden. Das neue Kollegium ist die übliche Mischung aus guten, bösen, gleichgültigen, beunruhigenden und faszinierenden Männern. Aber ich glaube, sie werden ein bißchen aktiver sein als die Bande vom vergangenen Jahr. Im nächsten Jahr wird einiges los sein auf dem Forum.«
Natürlich war sie über politische Angelegenheiten gut informiert, denn sowohl ihr Vater als auch die Großmutter stammten aus berühmten Politikerfamilien, aber wenn man in der Subura lebte, dann hatte man eben Spielkameraden, die nur ein geringes Interesse für Machenschaften und personelle Veränderungen im Senat, in den Versammlungen und Gerichtshöfen aufbrachten. Aus diesem Grund hatte Aurelia sie mit sechs Jahren auf die Schule des Marcus Antonius Gnipho geschickt; Gnipho war Caesars Privatlehrer gewesen, aber als Caesar mit dem offiziellen Beginn des Mannesalters den Mantel und das Filzbarett des Hamen Dialis angelegt hatte, war Gnipho Leiter einer Schule mit aristokratischer Schülerschaft geworden. Julia hatte sich als intelligente und lernwillige Schülerin erwiesen, sie entwickelte die gleiche Liebe zur Literatur wie ihr Vater, nur in Mathematik und Geographie waren ihre Leistungen nicht besonders gut. Auch hatte sie Caesars erstaunliches Gedächtnis nicht geerbt. Und das war auch gut so, fanden alle, die um sie herum waren; flinke und kluge Mädchen waren wunderbar, aber brillante, intellektuelle Mädchen waren Stolpersteine, nicht zuletzt für den eigenen Lebensweg.
»Warum sind wir hier drinnen, tata?« fragte sie ein wenig verwundert.
»Ich habe Neuigkeiten, und die möchte ich dir an einem ruhigen Ort mitteilen«, antwortete Caesar, der jetzt, wo er sich entschlossen hatte, genau wußte, wie er es ihr sagen würde.
»Gute Neuigkeiten?«
»Das weiß ich noch nicht, Julia. Ich hoffe es, aber ich stecke nicht in deiner Haut. Vielleicht ist es keine so gute Neuigkeit, aber ich glaube, wenn du dich erst einmal dran gewöhnt hast, wirst du sie nicht ganz unerträglich finden.«
Weil sie flink und klug war, hatte sie ihn sofort verstanden. »Du hast einen Ehemann für mich gefunden«, sagte sie.
»Richtig. Freust du dich?«
»Sehr, tata. Junia ist auch verlobt, und jetzt spielt sie uns allen gegenüber die große Dame. Wer ist es?«
»Junias Bruder. Marcus Junius Brutus.«
Er sah ihr fest in die Augen, deshalb war ihm das flüchtige Aufflackern des Erschreckens in ihrem Blick nicht entgangen, bevor sie ganz schnell den Kopf abwandte und vor sich hinstarrte. Sie schluckte.
»Freust du dich nicht?« fragte er. Ihm sank ein wenig der Mut.
»Es kommt überraschend, das ist alles«, sagte Aurelias Enkeltochter, der man von der Krippe an beigebracht hatte, daß sie alles würde ertragen müssen, was das Schicksal einmal für sie bereithielt. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, und die großen blauen Augen lächelten wieder. »Ich freue mich sehr. Brutus ist nett.«
»Bist du sicher?«
»O tata, natürlich bin ich sicher!« sagte sie so ehrlich, daß ihre Stimme zitterte. »Wirklich, tata, es ist eine gute Neuigkeit. Brutus wird mich lieben und für mich sorgen, das weiß ich.«
Ihm fiel ein Stein vom Herzen, er seufzte, lächelte, nahm ihre kleine Hand und küßte sie, bevor er sie fest in die Arme schloß. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, sie danach zu fragen, ob sie es nicht lernen könnte, Brutus zu
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