MoR 04 - Caesars Frauen
angezweifelt. Und jetzt wühlte dieser Carbo in alten Geschichten, und als Tribun der wieder voll in ihre Rechte eingesetzten Plebs besaß er die Macht, Marcus Cotta vor einem eigens einberufenen Tribunal der Plebejischen Versammlung anzuklagen. Caesar liebte und verehrte seinen Onkel Marcus. Deshalb war Carbos Wahl ihm ein Dorn im Auge.
Nachdem die letzte Scherbe ausgezählt war, nahmen die zehn siegreichen Männer auf der Rostra die Hochrufe entgegen; Caesar drehte sich um und ging langsam nach Hause. Er war müde. Zuwenig Schlaf, zuviel Servilia. Sie hatten sich erst vor sechs Tagen wiedergesehen, nach dem Tag der Wahlen in der Volksversammlung, und wie zu erwarten gewesen war, hatten sie beide etwas zu feiern gehabt. Caesar war jetzt Kurator der Via Appia, und Servilias sogenannter »Bruder« Caepio war zu einem von zwanzig Quästoren gewählt worden. Sie hatten ihm ein Amt als Stadtquästor in Rom gegeben, er mußte also nicht in einer der Provinzen seinen Dienst leisten.
Und so hatten sie sich in guter Laune und mit großer Vorfreude aufeinander wiedergetroffen, und der gemeinsame Tag im Bett war so vergnüglich gewesen, daß keiner von beiden das nächste Stelldichein lange hinausschieben wollte. Folglich trafen sie sich jetzt jeden Tag zu einem Fest der Lippen, der Zungen und der Haut, und jeden Tag gab es etwas Neues zu erforschen. Heute hatten die Wahlen jedoch ein weiteres Treffen verhindert. Und wahrscheinlich würden sie sich erst an den Kalenden des September wiedersehen können, denn Silanus nahm Servilia, Brutus und die Mädchen mit ins Seebad Cumae, wo er eine Villa besaß. Auch für Silanus waren die diesjährigen Wahlen erfolgreich verlaufen; im nächsten Jahr würde er das Amt des Stadtprätors innehaben. Dieses äußerst wichtige Amt hob auch Servilias öffentliches Ansehen; unter anderem durfte sie darauf hoffen, daß man ihr Haus für das den Frauen vorbehaltene Fest der Bona Dea auswählen würde, bei dem Roms erlauchteste Matronen die gute Göttin in den Winterschlaf wiegten.
Und er mußte Julia endlich mitteilen, daß er ihre Heirat arrangiert hatte. Die offizielle Verlobungszeremonie würde erst stattfinden, nachdem Brutus im Dezember die toga virilis angelegt hatte, aber die rechtlichen Formalitäten waren erledigt, Julias Schicksal war besiegelt. In seinem Inneren nagte Unzufriedenheit darüber, daß er dieser Pflicht — ganz gegen seine Art — noch nicht nachgekommen war; er hatte Aurelia gebeten, es Julia zu sagen, aber die nahm es mit der häuslichen Etikette sehr genau und hatte sich geweigert. Er war der pater familias. Es war seine Aufgabe. Frauen! Warum gab es so viele Frauen in seinem Leben, und warum war er davon überzeugt, daß die Zukunft noch viel mehr für ihn bereithalten würde? Ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, die damit verbunden waren.
Julia hatte heute mit Matia gespielt, der Tochter seines guten Freundes Gaius Matius, der in Aurelias Mietshaus das Erdgeschoß bewohnte. Sie war eine ganze Weile vor der Essenszeit heimgekehrt, also hatte er keine Ausrede mehr, er mußte es ihr sagen. Wie eine junge Nymphe tanzte sie durch den Garten im Lichthof, der Stoff ihres Kleides wehte wie ein lavendelblauer Schleier um ihren noch unentwickelten Körper. Aurelia kleidete sie mir Vorliebe in helle Blau- oder Grüntöne, und sie tat recht daran. Wie schön sie einmal sein wird, dachte er, während er sie ansah; vielleicht entsprach sie nicht dem griechischen Ideal wie Aurelia, dafür aber besaß sie das magische Wesen der Julierinnen, das der pragmatischen, vernünftigen Aurelia abging, die eben eine typische Cotta war. Man sagte den Julierinnen nach, sie würden ihre Männer glücklich machen, und jedesmal, wenn er seine Tochter sah, wollte er es gern glauben. Doch der Volksmund war nicht unfehlbar; seine jüngere Tante (sie war Sullas erste Frau gewesen) hatte nach einer langen Liebesaffäre mit Hilfe der Weinflasche Selbstmord begangen, und seine Cousine Julia Antonia durchlebte mit ihrem zweiten Ehemann schreckliche Perioden der Depression und Hysterie. Und doch ging dieses geflügelte Wort in Rom um. Jeder junge Aristokrat, der nicht auf eine üppige Mitgift angewiesen war, dachte zuerst an eine Julierin.
Sie strahlte übers ganze Gesicht, als sie ihren Vater an den Sims des Eßzimmerfensters gelehnt stehen sah, kam zu ihm herübergeschwebt und schaffte es mit einiger Eleganz, in seine Arme zu klettern.
»Wie geht’s meinem Mädchen?« fragte er sie, trug sie
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