MoR 04 - Caesars Frauen
Raum betraten, halfen zwei Diener ihnen, ihre Togen abzulegen, die aus so viel Stoff bestanden, daß man sich in ihnen nicht zurücklehnen konnte. Sie wurden sorgfältig gefaltet und zur Seite gelegt, während die Männer zu dem hinteren Teil der Liege gingen, wo sie sich setzten und ihre Senatorenschuhe mit den sichelförmigen Spangen der Konsuln auszogen; dann ließen sie sich von denselben Dienern die Füße waschen. Pompeius nahm als Gast selbstverständlich den locus consularis, den Ehrenplatz, ein. Die Männer lagen halb auf dem Bauch, halb auf der linken Hüfte, den linken Ellbogen stützten sie auf ein rundes Kissen. Alles, was auf dem Tisch stand, war für sie in bequemer Reichweite.
Pompeius’ Stimmung hatte sich gehoben. Er blickte anerkennend auf das Peristylium mit seinen wunderschönen Fresken, dem herrlichen Marmorbecken und den Springbrunnen. Wie schade, daß nicht mehr Licht hier hereinfiel. Dann wanderte sein Blick weiter zu den Fresken, die die Wände des Speisezimmers schmückten: Sie stellten die Schlacht am Regillussee, in der einst Castor und Pollux die Stadt Rom gerettet hatten, dar.
Und gerade als er dabei war, die Tür genauer zu betrachten, betrat Göttin Diana das Speisezimmer. Es konnte niemand anderer als Diana sein! Göttin der mondhellen Nacht, halbirdisches Wesen, mit schwebenden Bewegungen von anmutiger, glänzender Schönheit. Die jungfräuliche Göttin, nach der die Männer sich verzehrten, und die doch keusch blieb. Diese Diana aber, die den Raum nun halb durchschritten hatte, sah seinen Blick und blieb, die blauen Augen weit geöffnet, ein wenig linkisch stehen.
»Magnus, das ist meine Tochter Julia.« Caesar deutete auf den Stuhl Pompeius gegenüber. »Nimm bitte dort Platz, Julia, und unterhalte unseren Gast. Ah, da ist ja meine Mutter!«
Aurelia ließ sich Caesar gegenüber nieder, während einige Diener die Speisen hereintrugen, und andere die Becher brachten, die sie mit Wein und Wasser füllten. Die Frauen, fiel Pompeius auf, tranken nur Wasser.
Wie schön Caesars Tochter war! Wie köstlich, wie entzückend! Sie war das reinste Traumgeschöpf, empfahl ihm die Gerichte, die Spezialität der Köche waren, bat ihn, dieses und jenes zu versuchen, immer mit einem Lächeln ohne jede Scheu, jedoch auch ohne sinnliche Ermutigung. Er wagte sie zu fragen, wie sie denn ihre Tage verbringe (wen kümmerten schon ihre Tage — was machte die kleine Diana mit ihren Nächten, wenn der Mond hoch am Himmel stand und ihr Triumphwagen sie zu den Sternen brachte?) Sie gab zur Antwort, daß sie lese oder spazierenginge, die Vestalinnen oder ihre Freundinnen besuche, sprach mit einer tiefen, weichen Stimme, die ihn an schwarze Flügel vor einem strahlend hellen Himmel erinnerte. Als sie sich nach vorne neigte, konnte er sehen, wie zierlich, wie grazil sie gebaut war, wenn ihm der Anblick ihres Busens auch verborgen blieb. Die Arme waren zart, doch rundlich, mit einem winzigen Grübchen in jedem Ellbogen, die Augen von leicht violett getönter Haut umgeben, auf jedem Augenlid leuchtete der Silberglanz des Mondes. Und was für lange, durchsichtige Wimpern sie hatte! Und Augenbrauen, die so hell waren, daß man sie kaum sah. Sie war ungeschminkt, und ihre blaßrosa Lippen weckten das wilde Verlangen in ihm, sie zu küssen.
Pompeius und Julia waren bald so ins Gespräch vertieft, daß sie Caesar und Aurelia gar nicht mehr wahrnahmen. Sie sprachen von Homer und Hesiod, Xenophon und Pindar, von Pompeius’ Reisen in den Osten; sie hing an seinen Lippen, als sei seine Zunge ebenso begnadet wie die Ciceros, und überhäufte ihn mit Fragen, die alles wissen wollten. Hatte er den Berg Ararat gesehen? Wie sah der jüdische Tempel aus? Konnte man wirklich auf dem Toten Meer spazierengehen? Hatte er jemals einen Schwarzen zu Gesicht bekommen? Und wie sah König Tigranes aus? War es denn wahr, daß einst die Amazonen in Pontus, an der Mündung des Flusses Thermodon, gelebt hatten? Hatte er je eine Amazone gesehen? Angeblich hatte ja Alexander der Große ihre Königin irgendwo am Fluß Jaxartes kennengelernt. Oh, was für wundervolle Namen, Oxus, Araxes und Jaxartes — wie war es menschlichen Zungen möglich, solche Laute zu erfinden?
Und Pompeius, der Kurzangebundene, Pragmatische mit seinem lakonischen Wesen und seiner dürftigen Erziehung, war unendlich froh darüber, daß sein Leben im Osten und Theophanes seine Lust am Lesen geweckt hatten. Er formulierte Worte, von denen er nicht einmal wußte,
Weitere Kostenlose Bücher