MoR 04 - Caesars Frauen
Spiegelbild der Betrachterin wieder. Und was Julia darin entdeckte, gefiel ihr ganz und gar nicht: zu dünn! Kaum Brüste! Keine Grübchen! Sie brach vor Verzweiflung in Tränen aus, warf sich auf ihr Bett und weinte sich in den Schlaf, die Wange an die Hand geschmiegt, die er geküßt hatte.
»Sie hat Pompeius’ Büste weggeworfen«, sagte Aurelia am nächsten Morgen zu Caesar.
»Bei Pollux! Und ich war mir so sicher, daß sie ihm zugetan war.«
»Nicht doch, Caesar, es ist — ganz im Gegenteil — ein hervorragendes Zeichen! Sie gibt sich jetzt nicht länger mit der Abbildung zufrieden, sie will den wirklichen Mann.«
»Nun, das beruhigt mich.« Caesar nahm seinen Becher mit heißem Wasser und Zitronensaft und nippte mit Genuß daran. »Er wird heute wieder zum Abendessen kommen, seine morgige Reise nach Campania war ein Vorwand, um uns so bald einen erneuten Besuch abstatten zu können.«
»Dann wird die Eroberung wohl vollendet werden«, meinte Aurelia.
Caesar grinste. »Ich glaube, er war bereits in dem Moment erobert, als Julia das Speisezimmer betrat. Ich kenne Pompeius nun schon lange und weiß, er hat sich so willig ködern lassen, daß er nicht einmal den Haken spürte. Erinnerst du dich nicht mehr an den Tag, als er zu Tante Julia kam und um die Hand von Mucia anhielt?«
»Doch, ich erinnere mich lebhaft. Er stank nach Rosenöl und benahm sich albern wie ein junges Fohlen auf der Weide. So war er gestern ganz und gar nicht.«
»Er ist erwachsener geworden. Mucia war älter als Pompeius; zu Julia fühlt er sich auf ganz andere Weise hingezogen. Julia ist siebzehn, er ist sechsundvierzig!« Caesar schauderte. »Mater, das sind fast dreißig Jahre Unterschied! Bin ich vielleicht zu kaltblütig? Ich will nicht, daß sie unglücklich wird.«
»Das wird sie auch nicht werden. Pompeius scheint zu wissen, wie man eine Frau zufriedenstellt — solange er in sie verliebt ist! Und Julia wird er immer lieben, er sieht in ihr die eigene verflossene Jugend.«
Aurelia räusperte sich und errötete leicht. »Ich bin mir sicher, daß du ein glänzender Liebhaber bist, Caesar, aber mit einer Frau zu leben, die nicht aus deinem eigenen Milieu stammt, würde dich langweilen. Pompeius liebt das Eheleben — vorausgesetzt, seine Frau entspricht auch seinen ehrgeizigen Vorstellungen. Und mehr als eine Julierin kann er nicht erwarten.«
Pompeius schien mitnichten mehr als eine Julierin zu erwarten. Wenn irgend etwas sein Ansehen nach Catos Angriff rettete, dann war es der Zustand der Benommenheit, in den ihn Julia versetzt hatte, und in dem er sich an diesem Morgen befand, den er auf dem Forum zubrachte. Er hatte seinen Vorsatz, niemals mehr in der Öffentlichkeit aufzutreten, ganz vergessen. Im Gegenteil, er sprach mit jedem, den er traf, und schien so offenkundig unberührt von Catos Schmährede zu sein, daß viele zu der Ansicht kamen, seine Reaktion am Tag zuvor sei reiner Schock gewesen. Heute zeigte er keine Spur von Groll oder Verlegenheit.
Sein Innerstes war ganz erfüllt von Julias Bild, sah ihm aus jedem einzelnen Gesicht entgegen, das ihm begegnete. Kind und doch Frau. Aber auch Göttin. So weiblich, mit so wundervollen Umgangsformen und so ungekünstelt! Ob er ihr auch gefallen hatte? Er hatte es sich eingebildet, wenngleich sie es sich nicht hatte anmerken lassen. Leider war sie verlobt. Mit Brutus, der noch grün hinter den Ohren und obendrein häßlich war. Wie konnte ein so reines und makelloses Geschöpf nur solche ekelhaften Pickel hinnehmen? Natürlich existierte schon seit Jahren ein Vertrag zwischen ihnen, die Heirat war nicht ihrem Wunsch entsprungen. In gesellschaftlicher und politischer Hinsicht war es ohne Zweifel eine ausgezeichnete Verbindung. Und da waren außerdem die Früchte des Goldes von Tolosa...
Später dann, nach dem Abendessen im Domus Publica, lag es Pompeius — ungeachtet der bestehenden Verlobung — auf der Zunge, um ihre Hand zu bitten. Was hielt ihn nur zurück? Die alte Furcht, sich in den Augen eines Patriziers wie Gaius Julius Caesar zu erniedrigen. Caesar, der seine Tochter einem jeden geben konnte, der sie bereits einem Aristokraten von Einfluß, Reichtum und nobelster Herkunft versprochen hatte. Männer wie Caesar gaben sich nicht lange damit ab, über die Gefühle oder gar Wünsche ihrer Töchter nachzudenken. Er selbst gehörte schließlich auch zu diesen Männern. Er hatte Faustus Sulla seine eigene Tochter nur aus einem Grund versprochen: Faustus Sulla war der
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