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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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daß sein Geist sie aufgenommen hatte, Gedanken, die auszudrücken er niemals für möglich gehalten hätte. Lieber wäre er gestorben, als dieses wundervolle junge Mädchen zu enttäuschen, das sein Gesicht beobachtete, als sei es Quelle allen Wissens und das Erhabenste, das ihre Augen je erblickt hatten.
    Die Speisen standen länger auf dem Tisch, als es der stets beschäftigte und ungeduldige Caesar sonst gestattete; doch als der Tag draußen im Peristylium zur Neige ging, nickte er Eutychus unauffällig zu, und die Diener betraten den Raum. Aurelia erhob sich.
    »Julia, es ist Zeit, daß wir gehen«, sagte sie.
    Julia, die tief in ein Gespräch über Aeschylus versunken war, fuhr hoch, um wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren.
    »Oh, avia, ist es schon so spät?« fragte sie. »Die Zeit ist wie im Flug vergangen!«
    Pompeius sah, daß Julia sich weder mit Worten noch mit Bl\1cken anmerken ließ, daß sie nur ungern ging. Sie schien auch ihrer avia nicht böse zu sein, weil diese dem ein Ende setzte, was, wie sie ihm erzählt hatte, eine Ausnahme war; denn wenn ihr Vater Gäste hatte, war es ihr normalerweise nicht erlaubt, sich im Speisezimmer aufzuhalten, da sie noch nicht achtzehn Jahre war.
    Sie stand auf streckte Pompeius freundlich ihre Hand entgegen, in der Erwartung, daß er sie schütteln würde. Obgleich Pompeius nicht zu derlei Gesten neigte, nahm er ihre Hand, als könne sie zerbrechen, hob sie an die Lippen und küßte sie.
    »Ich danke dir für deine Gesellschaft, Julia«, sagte er lächelnd und schaute ihr tief in die Augen. »Brutus ist ein beneidenswerter junger Mann.«
    Als die Frauen hinausgegangen waren, wiederholte er noch einmal Caesar gegenüber: »Brutus ist wirklich zu beneiden.«
    »Das finde ich auch«, erwiderte Caesar und lächelte über das, was er im stillen dachte.
    »Ich habe nie zuvor eine Frau getroffen, die so ist wie sie!«
    »Julia ist eine Perle, die nicht mit Gold aufzuwiegen ist.«
    Was gab es darauf noch zu sagen? Pompeius verabschiedete sich.
    »Besuche uns bald wieder, Magnus«, sagte Caesar an der Tür.
    »Wenn es dir paßt, dann morgen schon. Ich muß am Tag darauf in die Campania reisen und werde mindestens für eine Marktperiode fortbleiben. Du hattest recht, es ist äußerst unbefriedigend, in der Gesellschaft von drei, vier griechischen Philosophen zu leben. Warum nehmen wir Römer sie eigentlich bei uns auf?«
    »Weil sie den Vorteil bieten, intelligente, männliche Gesellschafter zu sein, die unseren Frauen nur sehr selten als Liebhaber zusagen. Und weil sie dafür sorgen, daß unser Griechisch rein bleibt; obwohl Lucullus sorgfältig darauf geachtet haben soll, die griechische Version seiner Memoiren mit ein paar grammatikalischen Schnitzern zu versehen; er wollte damit die griechischen literati zufriedenstellen, die überzeugt sind, daß kein Römer perfekt Griechisch spricht oder schreibt. Was mich betrifft, so bin ich nie versucht gewesen, die Gewohnheit anzunehmen, griechische Philosophen zu beherbergen. Es sind doch alles Parasiten.«
    »Unsinn! Du nimmst sie nur nicht bei dir auf, weil du ein einsamer Jäger bist. Du ziehst es einfach vor, allein zu leben und zu jagen.«
    »O nein«, sagte Caesar sanft. »Ich lebe nicht allein. Ich bin einer der glücklichsten Männer Roms, da ich mit einer Julierin lebe.«
    Besagte Julia war hinauf in ihre Räume gegangen, erschöpft, doch erregt, auf ihrer Hand noch die Empfindung seines Kusses. Auf dem Regal stand die Büste von Pompeius; sie ging hinüber, nahm sie herunter und ließ sie in den Abfallbehälter fallen, der in einer Ecke stand. Die Statue war wertlos, jetzt, da sie den leiblichen Mann getroffen und mit ihm gesprochen hatte. Er war nicht ganz so groß wie tata, aber groß genug.
    Breitschultrig war er, muskulös, und wenn er auf der Liege lag, so blieb sein Bauch straff, ohne das Fett, das Männer seines Alters anzusetzen pflegten. Ein wundervolles Gesicht mit den blauesten Augen darin, die sie je gesehen hatte. Und dieses Haar — das reine Gold, und so dicht! Ein gutaussehender Mann. Nicht wie tata, der wie ein echter Römer aussah, doch interessant, ungewöhnlicher eben. Da Julia kleine Nasen mochte, fand sie auch an diesem Organ nichts auszusetzen. Und gutgewachsene Beine hatte er ebenfalls.
    Als nächstes stand sie vor dem Spiegel, einem Geschenk von ihrem tata, das avia nicht billigte. Er war auf einen drehbaren Ständer montiert und gab auf einer hochpolierten silbrigen Oberfläche das

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