MoR 04 - Caesars Frauen
anderen Patrizier eine Gegenleistung fordern würde — und von Geburt her bist du ein Patrizier, es steckt dir in den Knochen.«
Sie stand ein wenig unbeholfen auf, um ihre Beine auszustrecken. Die neue Schwangerschaft begann gerade hinderlich zu werden, was sie als Ägernis empfand; gerade dann, wenn Clodius sich auf dem Gipfel seines Tribunats befände, würde sie wie eine Ente watscheln. Nicht, daß die Schwangerschaft sie daran hinderte, auf dem Forum zu erscheinen. Im Gegenteil, der Gedanke, sich im achten oder neunten Monat öffentlich zu zeigen, egal, ob es ein neuerlicher Skandal für Rom war, amüsierte sie. Und auch die Qualen der Geburt würden sie nicht länger als ein, zwei Tage fernhalten können. Fulvia gehörte zu den Glücklichen, die keine Schwierigkeiten damit hatten, Kinder auszutragen und zu gebären. Jetzt streckte sie die schmerzenden Beine gerade rechtzeitig neben Clodius aus, um Decimus Brutus, der soeben eintrat, mit einem Lächeln zu begrüßen; der sah aufgrund von Clodius’ Wahlsieg überglücklich aus.
»Ich habe jemanden gefunden — Lucius Decumius«, sagte Clodius.
»Als Informanten über die >kleinen Leute<, meinst du?« fragte Decimus Brutus und machte es sich auf der Liege gegenüber Clodius bequem.
»Genau das meine ich.«
»Wer ist er?« Decimus Brutus begann, sich über eine Speisenplatte herzumachen.
»Der Verwalter eines Kreuzwegevereins in der Subura. Ein enger Freund von Caesar, laut Lucius Decumius; er schwört, er habe Caesars Windeln schon gewechselt und sei in manchen Unfug mit hineingezogen worden, als Caesar noch ein Knabe war.«
»Und?« fragte Decimus Brutus skeptisch.
»Ich habe Lucius Decumius getroffen; wir waren uns beide sehr sympathisch. Und«, sagte Clodius und wechselte in einen verschwörerischen Flüsterton über, »ich habe endlich Zugang zu den niedrigen Klassen — zumindest zu dem Teil, der für uns nützlich sein könnte.«
Die beiden andern lehnten sich nach vorne; das Essen war jetzt nicht mehr von Belang.
»Wenn Bibulus in diesem Jahr auch sonst nichts zu beweisen hatte«, fuhr Clodius fort, »so hat er uns zumindest demonstriert, welch Hohn Verfassungstreue sein kann. Ganz Rom ist sich bewußt, daß er sich einer religiösen List bedient hat, um Caesars Gesetze zu gefährden. Nun, bald schon werde ich solche Ränkespiele rechtswidrig machen! Dann wird es auch kein Hindernis mehr für meine eigenen Gesetze geben.«
»Mit Ausnahme der Plebejischen Versammlung, die du erst überreden mußt, sie zu verabschieden«, spöttelte Decimus Brutus. »Ich könnte dir ein Dutzend Volkstribunen nennen, deren Gesetze durch diesen Sachverhalt vereitelt worden sind! Und von dem Recht, das Veto einzulegen, will ich erst gar nicht sprechen. In deinem Kollegium gibt es wenigstens vier Männer, die nichts lieber täten, als dir ihre Zustimmung zu verweigern.«
»Da wird uns Lucius Decumius gelegen kommen«, rief Clodius, ganz offensichtlich sehr erregt. »Wir werden ein Gefolge aus den >kleinen Leuten< rekrutieren, das unseren Gegnern in Senat und Forum allen Mut nimmt, das Veto einzulegen! Und jedes Gesetz, das ich veröffentlichen möchte, wird verabschiedet werden!«
»Auch Saturninus hatte das im Sinn und ist gescheitert«, sagte Decimus Brutus.
»Er hat die >kleinen Leute< stets als Masse angesehen, er kannte ihre Namen nicht, trank nie mit ihnen«, erklärte Clodius geduldig. »Ihm fehlte jene Qualität, die jeder gute Demagoge haben muß — die Zielgerichtetheit. Ich brauche keine Riesenmengen >kleiner Leute<. Mir reichen ein paar Grüppchen mit richtigen Halunken. Ein Blick auf Lucius Decumius genügte, und ich wußte, ich hatte einen richtigen Halunken vor mir. Wir gingen gemeinsam in eine Taverne auf der Via Nova, um uns zu unterhalten. Vorwiegend über seinen Groll, daß man ihm das Recht, ein religiöses Kollegium zu führen, entzogen hat. Er behauptet, in seinen jungen Jahren ein politischer Attentäter gewesen zu sein, und ich habe ihm geglaubt. Doch weit wichtiger für mich war, daß er sich verriet und mir erzählte, daß sein Kollegium und viele andere schon seit — oh, seit Jahrhunderten — eine Art Schutzgeld eingeführt hätten!«
»Ein Schutzgeld?« fragte Fulvia verständnislos.
»Sie verkaufen an Ladenbesitzer und Handwerker Schutz vor Raubüberfällen und Mordanschlägen.«
»Schutz vor wem?«
»Vor dem Kollegium selbst, versteht sich!« sagte Clodius lachend. »Wenn du nicht zahlst, so schlagen sie dich nieder, stehlen
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