MoR 04 - Caesars Frauen
ihn in ein schlotterndes Häuflein Elend. Und so durfte Sinon manches Mal losziehen, um vor den Toren Roms nach großen, haarigen Spinnen zu suchen, und man zahlte ihm einen fürstlichen Lohn dafür, daß er die Tierchen überall in Catos Haus versteckte, vom Bett bis zu den Schreibtischschubladen. Nicht ein einziges Mal hatte er sich dabei erwischen lassen. Catos Schwester Porcia, die mit Lucius Domitius Ahenobarbus verheiratet war, hatte einen nachhaltigen Ekel vor fetten Käfern. Also fing Sinon fette Käfer ein und brachte sie in ihr Haus. Manchmal erteilte Servilia ihm den Auftrag, Tausende von Würmern oder Flöhen oder Fliegen oder Heuschrecken in beide Häuser zu bringen und hinterher anonyme Briefe zu schreiben, die Verwünschungen gegen Würmer oder Flöhe oder gegen anderes Getier enthielten. Bevor Caesar in ihr Leben getreten war, hatten solche Spielchen sie bei Laune gehalten; danach hatte sie solcherlei Zeitvertreib nicht mehr nötig gehabt, und Sinon konnte fortan frei über seine Zeit verfügen. Wenn er nicht gerade Insektenplagen bewirken mußte, hatte er ein ruhiges Leben; seine Herrin Servilia hielt ihre schützende Hand über ihn.
»Sinon!« rief sie.
Er blieb stehen, drehte sich um, kam die Kolonnade entlang und um die Ecke zu ihrem Wohnzimmer gelaufen. Ein hübscher Junge. Sein Charme und seine Unbekümmertheit machten ihn liebenswürdig für alle, die ihn nicht näher kannten; Silanus, zum Beispiel, hielt noch immer große Stücke auf ihn, und auch Brutus konnte ihn gut leiden. Er hatte einen zierlichen Körper und war ein brauner Typ — braune Haut, hellbraune Augen, hellbraunes Haar. Dazu spitze Ohren, ein spitzes Kinn, spitz zulaufende Finger. Kein Wunder, daß so mancher Hausbediensteter das Zeichen gegen das böse Auge schlug, wenn Sinon sich näherte. Er hatte etwas von einem Satyr.
»Domina?« fragte er und trat über die Schwelle.
»Schließ die Tür, Sinon, und die Fensterläden auch.«
»Oje, Arbeit!« sagte er und gehorchte.
»Setz dich.«
Er setzte sich und blickte sie mit einer Mischung aus Unverfrorenheit und gespannter Erwartung an. Spinnen? Kakerlaken? Vielleicht waren jetzt einmal Schlangen dran.
»Wärst du nicht gern frei, Sinon, und mit einem großen Beutel voll Gold ausgestattet?« fragte sie ihn.
Damit hatte er nicht gerechnet. Einen Augenblick lang verschwand der Satyr, und darunter kam eine andere, halb menschliche, weit weniger anziehende Kreatur zum Vorschein, ein Geschöpf, wie sie die Alpträume der Kinder bevölkerten. Doch dieser Zustand änderte sich rasch und er sah nur noch aufmerksam und interessiert aus.
»Doch, domina, sehr gern.«
»Hast du eine Ahnung, welcher Art eine Gefälligkeit sein könnte, die solch eine Belohnung verdient?«
»Mindestens ein Mord«, antwortete er ohne zu zögern.
»So ist es«, sagte Servilia. »Reizt es dich?«
»Wen würde es nicht reizen, in meiner Lage?«
»Man braucht Mut, um einen Mord zu begehen.«
»Ich weiß. An Mut fehlt es mir nicht.«
»Du bist ein Grieche, und Griechen haben kein Ehrgefühl. Sie bleiben nicht bei der Stange, meine ich.«
»Wenn ich nur einen Mord begehen müßte und dann mit einem fetten Beutel Gold untertauchen könnte, würde ich wohl bei der Stange bleiben, domina.«
Servilia lag auf dem Liegebett, und seine Anwesenheit hatte sie nicht veranlaßt, ihre Stellung auch nur im geringsten zu ändern. Doch nach dieser Antwort richtete sie sich auf; ihr Blick wurde eisig. »Ich traue dir nicht, weil ich niemandem traue«, sagte sie. »Und dies ist kein Mord, der in Rom begangen werden soll, nicht einmal in Italien. Er soll irgendwo zwischen Thessalonike und dem Hellespont ausgeführt werden. Eine ideale Gegend zum Untertauchen Aber ich habe Mittel und Wege, deiner wieder habhaft zu werden, Sinon. Vergiß das nicht. Einen Teil deiner Belohnung bekommst du sofort, den Rest schicke ich dir an einen bestimmten Ort in der Provinz Asia.«
»Gut, domina, aber woher soll ich wissen, daß du deinen Teil des Vertrags erfüllst?« fragte Sinon leise.
Servilia schnaubte vor stolzer Entrüstung. »Ich bin eine Servilius Caepio«, sagte sie.
»Ich weiß.«
»Das muß dir als Garantie dafür genügen, daß ich meinen Teil der Abmachung einhalten werde.«
»Was soll ich tun?«
»Zuerst mußt du ein sehr schädliches Gift beschaffen. Ich meine damit ein Gift, das absolut sicher wirkt und das man hinterher nicht feststellen kann.«
»Das läßt sich machen.«
»Mein Bruder Quintus Servilius Caepio
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