MoR 04 - Caesars Frauen
widerstrebend: »Sicher würde ich es verstehen, schließlich verspüre ich den Zorn ja selber. Aber ich begreife, was du meinst.«
»Immerhin ein Anfang«, sagte die kleine Weise. »Servilia ist kein junges Mädchen mehr, hat avia mir erklärt, und sie hat auch gesagt, daß sie viel Hilfe und Verständnis braucht.«
»Ich werde mich bemühen«, versprach Brutus. »Weil du’s bist.« Und er ging langsam nach Hause, um mit seinen Bemühungen anzufangen.
Aber das alles verlor mit einem Schlag an Bedeutung, als Servilia zwei Wochen nach Tertias Geburt ihre große Chance bekam. Ihr Bruder Caepio kam mit interessanten Neuigkeiten zu ihr.
Als einer der Quästoren war er Anfang des Jahres dazu bestimmt worden, Pompeius bei seinem Feldzug gegen die Piraten zu unterstützen. Zunächst hatte er nicht geglaubt, Rom wegen dieser Aufgabe verlassen zu müssen.
»Aber ich werde doch hingeschickt, Servilia!« rief er, und Freude strahlte aus seinen Augen und seinem Lächeln. »Gnaeus Pompeius will, daß man ihm eine große Summe Geld nach Pergamum bringt, und ich soll die Reise unternehmen. Ist das nicht wunderbar? Ich darf über Land durch Makedonien reisen und meinen Bruder Cato besuchen, den ich schrecklich vermisse.«
»Wie schön für dich«, erwiderte Servilia gelangweilt. In den ganzen siebenundzwanzig Jahren hatte Caepios Leidenschaft für Cato sie nie im entferntesten interessiert.
»Pompeius erwartet mich nicht vor Dezember. Wenn ich sofort aufbreche, kann ich eine ganze Weile bei Cato bleiben, bevor ich weiterziehen muß«, fuhr Caepio fort, immer noch in der Stimmung glücklicher Vorfreude. »Das Wetter wird wohl halten, bis ich Makedonien verlasse, dann kann ich auf der Straße weiterreisen.« Er schüttelte sich. »Ich hasse das Meer!«
»Wie man hört, soll es frei von Piraten sein.«
»Trotzdem, ich ziehe festen Boden unter den Füßen vor.«
Damit wandte Caepio sich der kleinen Tertia zu, schäkerte mehr aus Pflichtbewußtsein als aus Vergnügen mit ihr und verglich sie mit seiner eigenen Tochter.
»Hübsches kleines Ding«, sagte er und rüstete sich zum Aufbruch. »Und äußerst vornehme Züge. Von wem sie die wohl hat?«
Aha, dachte Servilia. Und ich habe mir eingebildet, niemand außer mir würde die Ähnlichkeit mit Caesar entdecken. Aber auch wenn das Blut eines Porcius Cato durch Caepios Adern floß, war er dennoch nicht bösartig; er hatte die Bemerkung in aller Unschuld gemacht.
Ihre Gedanken gingen ganz automatisch in die übliche Richtung: Caepios offenkundige Unwürdigkeit, die Früchte des Goldes von Tolosa zu ernten, ein Gedanke, der unwillkürlich einen brennenden Groll darüber auslöste, daß ihr eigener Sohn Brutus sie nicht erben durfte. Caepio, das Kuckucksei im Nest ihrer Familie. Catos leiblicher Bruder, nicht ihrer.
Seit Monaten hatte Servilia an nichts anderes mehr denken können als an Caesars Niederträchtigkeit, ein so junges, reizendes Dummchen zu heiraten, aber ihre gegenwärtigen Gedanken über das Schicksal des Goldes von Tolosa gingen einen ganz anderen, von Liebesgefühlen vollkommen freien Gang. Sie schaute nämlich gerade durch das offene Fenster. Auf der anderen Seite des Innenhofs tänzelte Sinon unbekümmert unter der Kolonnade entlang. Servilia liebte diesen Sklaven, wenn auch nicht im fleischlichen Sinne. Er hatte ihrem Gatten gehört, aber schon bald nach der Eheschließung hatte sie Silanus sehr darum gebeten, ihr diesen Sklaven zu überlassen. Nachdem die Übertragung erfolgt war, hatte sie Sinon zu sich gerufen und ihn über seinen neuen Status in Kenntnis gesetzt. Sie war auf sein Entsetzen vorbereitet gewesen, hatte jedoch auf eine andere Reaktion gehofft. Er hatte auf eben die gewünschte Weise reagiert und sich über die Nachricht gefreut. Seitdem liebte sie Sinon.
»Um jemanden zu mögen, muß man ihn kennen«, hatte er unverfroren dazu bemerkt.
»Wenn das so ist, Sinon, dann vergiß nicht: Ich bin deine Herrin, ich habe Macht über dich.«
»Ich weiß«, hatte er grinsend geantwortet. »Und das ist gut so. Bei Decimus Junius war ich immer in Versuchung, es zu weit zu treiben. Eines Tages wäre das mein Untergang gewesen. Bei einer Herrin wie dir werde ich mich zusammennehmen. Auch gut! Und vergiß nicht, domina, daß ich dir stets zu Diensten bin.«
Und von Zeit zu Zeit benötigte sie seine Dienste. Von Cato wußte sie seit seiner Kindheit, daß er sich vor nichts so sehr fürchtete wie vor großen, haarigen Spinnen; solche Tierchen verwandelten
Weitere Kostenlose Bücher