MoR 05 - Rubikon
schon verdächtig, wo Clodius doch sonst keinen Schritt ohne seine Frau getan hat? Clodius hatte kein Gepäck dabei, er konnte sich völlig frei... konnte sich... «
Drüben sah er Pompeius vor dem Saturn-Tempel sitzen. Pompeius schien Ahenobarbus’ Gericht gar nicht zu bemerken. Wie falsch Cicero ihn eingeschätzt hatte. Beim Jupiter, Pompeius würde ihn umbringen!
»Milo ist ein intelligenter Mensch. Wenn der Mord so passiert wäre, wie die Anklage uns glauben machen will, müßte Milo verrückt sein. Aber das ist er nicht. Clodius war verrückt. Alle wissen, daß Clodius verrückt war! Alle!«
Er brach ab und wischte sich den Schweiß aus den Augen. Fulvia, die neben ihrer Mutter Sempronia vor ihm saß, verschwamm vor seinem Blick. Wer stand neben ihr? Curio. Und sie alle lächelten, lächelten ununterbrochen, während er, Cicero, tausend Tode starb.
»Starb. Er starb. Clodius starb. Niemand bestreitet das. Wir alle müssen einmal sterben, auch wenn niemand sterben will. Clodius starb, von eigener Hand. Milo hat ihn nicht umgebracht. Er ist... er ist... «
Eine schreckliche halbe Stunde lang kämpfte Cicero weiter, stammelte, stotterte und stolperte über die einfachsten Wörter. Bis er nur noch an den vor dem Satum-Tempel rechtsprechenden Gnaeus Pompeius Magnus denken konnte. Er brach ein letztes Mal ab und schwieg.
Keiner der Anhänger Milos war wütend, nicht einmal Milo selbst. Der Schock saß zu tief, Ciceros Gesundheitszustand schien zu bedenklich. Was war mit ihm los? Ob er wieder die schrecklichen Kopfschmerzen mit den Lichtblitzen hatte? Das Herz war es jedenfalls nicht, grau sah er nicht aus. Der Magen auch nicht. Vielleicht ein Schlaganfall?
Marcus Claudius Marcellus trat vor. »Lucius Ahenobarbus, Marcus Tullius kann offenbar nicht weitersprechen. Das ist traurig, denn wir haben ihm unsere Redezeit zur Verfügung gestellt und sind nicht darauf vorbereitet, selbst zu sprechen. Darf ich das Gericht und die Geschworenen deshalb bitten, sich an die früheren Reden des Marcus Tullius zu erinnern? Heute ist er krank und kann nicht reden, aber stellt euch seine ungesagten Worte vor, Geschworene; sie hätten euch zweifelsfrei gezeigt, wer in diesem tragischen Fall die Schuld trägt. Damit schließt die Verteidigung den Beweisvortrag ab.«
Ahenobarbus straffte sich. »Geschworene«, rief er, »ich bitte euch um eure Stimmen!«
Die Geschworenen beugten sich über ihre Täfelchen und ritzten ein A für absolvo oder ein C für condemno ins Wachs. Ahenobarbus’ Liktoren sammelten die Täfelchen ein, und Ahenobarbus zählte unter den Augen von Zeugen, die ihm über die Schulter sahen, die Stimmen.
»Schuldig mit achtunddreißig Stimmen gegen dreizehn«, verkündete er mit unbewegter Stimme. »Titus Annius Milo, ich werde einen Ausschuß einsetzen, der eine Geldstrafe bestimmen wird, aber der Schuldspruch bedeutet gemäß der lex Pompeia de vi zugleich die Verbannung. Es ist meine Pflicht, dich darauf hinzuweisen, daß du im Umkreis von fünfhundert Meilen von Rom geächtet bist. Außerdem muß ich dich darauf hinweisen, daß du dich wegen drei weiterer Klagen zu verantworten hast. Du bist angeklagt vom Gericht des Manlius Torquatus wegen Wahlbetrugs, vom Gericht des Marcus Favonius wegen illegalen Verkehrs mit Mitgliedern von collegia , die nach der lex Julia Marcia verboten sind, und vom Gericht des Lucius Fabius wegen gewalttätiger Umtriebe nach der lexPlautia de vi. Die Sitzung ist beendet.«
Caelius führte den völlig entkräfteten Cicero vom Platz. Cato, der für Freispruch gestimmt hatte, trat zu Milo. Alles war sehr eigenartig. Nicht einmal die sonst so gehässige Fulvia brach in Triumphgeschrei aus. Die Menschen entfernten sich wie betäubt.
»Tut mir leid, Milo«, sagte Cato.
»Mir noch viel mehr!« erwiderte Milo.
»Ich fürchte, die anderen Gerichte werden dich auch schuldig sprechen.«
»Natürlich. Und ich werde mich nicht einmal selbst verteidigen können, ich fahre nämlich schon heute nach Massilia ab.«
Cato senkte seine sonst so laute Stimme. »Wenn du auf die Niederlage vorbereitet bist, kann dir nicht viel passieren. Du hast hoffentlich gemerkt, daß Lucius Ahenobarbus nicht angeordnet hat, dein Haus zu versiegeln und dein Vermögen zu pfänden.«
»Ich danke ihm dafür. Und ich bin vorbereitet.«
»Ich war wie vom Donner gerührt, als ich Cicero reden hörte.«
Milo schüttelte lächelnd den Kopf. »Der arme Cicero! Ich glaube, er hat gerade eines von Pompeius’
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