MoR 05 - Rubikon
nachdenklich.
»Genau, Ich würde nicht sagen, daß es ihm an Mut oder militärischem Können fehlt, aber ich bin eindeutig im Vorteil. Ich habe viel Erfahrung — und mehr Ehrgeiz, als er sich vorstellen kann. Aber wenn ich ihn besiegen will, muß ich ihn ständig zwingen, die falschen Entscheidungen zu treffen.«
»Ich hoffe, du hast nicht vergessen, deinen warmen Mantel einzupacken«, sagte Lucius schmunzelnd.
»Um nichts in der Welt würde ich mich von ihm trennen! Früher hat er einmal Gaius Marius gehört. Als Burgundus in meine Dienste trat, brachte er ihn mit. Mittlerweile ist das gute Stück neunzig Jahre alt, stinkt zum Himmel, auch wenn ich ihn zusammen mit duftenden Kräutern aufbewahre, und ich verfluche jeden Tag, an dem ich ihn tragen muß. Aber glaub mir, so einen Mantel bekommst du heutzutage nicht mehr, nicht einmal in Ligurien. Der Regen perlt ab, der Wind bläst nicht hindurch, und er leuchtet heute noch so scharlachrot wie an dem Tag, an dem er gewebt wurde.«
Die Legionäre der Fünfzehnten verließen Narbo ohne Wagen. Die Zelte der Zenturionen waren auf Maultiere gepackt worden, ebenso die zusätzlichen pila , das Werkzeug und große Schaufeln. Auch die Wurfgeschütze, die Caesar so wichtig waren, hatten sie dabei. So traten sie ihre lange Reise an — eine Reise mit ungewissem Ausgang.
Jeder Legionär hatte Proviant für fünf Tage im Gepäck. Proviant für weitere elf Tage sowie schwerere Ausrüstungsgegenstände schleppte ein zweites Maultier, das jeder achtköpfigen Gruppe von Legionären zusätzlich zur Verfügung gestellt worden war. Dadurch um einige Kilo erleichtert, schritten die Soldaten eifrig aus.
Caesars legendäres Glück ließ ihn diesmal nicht im Stich. Die lange Kolonne zog durch Nebel, der die Sichtweite auf ein Minimum reduzierte. Von Lucterius und den Gabalern unentdeckt, erreichten sie die Cebenna und machten sich unverzüglich an den Aufstieg. Ein leichtes Schneetreiben hatte eingesetzt. Caesar wollte möglichst schnell die Wasserscheide überqueren und dann, solange es die Bodenverhältnisse zuließen, zwischen den Bergen marschieren.
Schon bald lag der Schnee sechs Fuß hoch, doch dafür hatte es aufgehört zu schneien. Jede Zenturie mußte abwechselnd die Spitze der Kolonne übernehmen und den Schnee beiseite räumen. Aus Sicherheitsgründen marschierten die Männer in Viererstatt Achterreihen, während die Maultiere einzeln hintereinander über den verschneiten Boden geführt wurden. Hin und wieder kam es zu Unfällen, etwa wenn sich auf dem Weg plötzlich ein Spalt auftat oder einer der Männer von einem Bergrutsch mitgerissen wurde; da jedoch der tiefe Schnee die Stürze abpolsterte, konnten die meisten gerettet werden, und die Verluste blieben insgesamt gering.
Caesar marschierte die ganze Zeit mit den Legionären und machte auch regelmäßig beim Schneeschippen mit, in erster Linie, um die Männer bei Laune zu halten und sie über das Marschziel und das, was sie dort erwartete, aufzuklären. Seine Anwesenheit wirkte beruhigend. Die meisten Soldaten waren zwar schon über achtzehn, doch was sagt das Alter schon aus über das, was im Kopf oder Herzen eines Mannes vorgeht, jedenfalls litten sie noch immer unter Heimweh. Sie sahen in Caesar zwar keinen Vater, denn selbst in ihren kühnsten Träumen hätten sie sich nicht vorstellen können, einen Vater wie Caesar zu haben, aber er strahlte ein solches Selbstvertrauen aus, ohne dabei arrogant zu sein, daß sie sich in seiner Gegenwart geborgen fühlten.
»Ihr werdet allmählich eine richtig brauchbare Legion«, bescheinigte er ihnen häufig mit breitem Grinsen. »Ich bezweifle, daß die Zehnte viel schneller wäre als ihr, und die steht schon seit neun Jahren im Feld. Dagegen seid ihr noch kleine Kinder! Also gebt die Hoffnung nicht auf, Männer!«
Das Glück blieb ihm weiter treu. Sie wurden nicht durch Schneestürme aufgehalten, begegneten keinen Galliern, und die ganze Zeit hing ein dünner Nebel in der Luft, der sie schützend umhüllte, so daß sie von weiter weg nicht zu sehen waren. Hatte sich Caesar anfangs noch wegen der Arverner gesorgt, deren Gebiet westlich der Wasserscheide begann, so wuchs mit der Zeit seine Überzeugung, daß er Vienna erreichen würde, ohne daß Vercingetorix davon erfahren würde.
Erleichtert machten sich die Legionäre schließlich an den Abstieg und zogen in Vienna ein. Drei Männer waren unterwegs umgekommen, ein paar mehr hatten sich Knochenbrüche zugezogen, und vier in
Weitere Kostenlose Bücher