MoR 05 - Rubikon
Antworten der beiden Männer waren schon vor Caesar in Narbo eingetroffen, und so erfuhr er nun, daß sie bereits zusätzliche Truppen aushoben, die an der Grenze aufmarschieren und im Bedarfsfall zur Rettung von Narbo und Tolosa anrücken sollten. Niemand verstand besser als diese beiden erfahrenen Soldaten, daß Rom — und Pompeius — keinen unabhängigen gallischen Staat auf der anderen Seite der Pyrenäen wollten.
Lucius Caesar traf mit Decimus Brutus und der Fünfzehnten Legion am vorgesehenen Tag in Narbo ein. Nachdem Caesar der Legion gedankt hatte, wies er Lucius Caesar sofort in seine Aufgaben ein.
»Seit die Bewohner Narbos wissen, daß ich einen Konsular deines Ranges zur Verwaltung der Provinz hierlasse, haben sie sich auffallend beruhigt.« Er zog eine Braue in die Höhe. »Du brauchst im Grunde nur dafür zu sorgen, daß Volcer und Helvier gut ausgerüstet werden. Afranius und Petreius warten für den Fall, daß sie gebraucht werden, auf der anderen Seite der Grenze, deshalb mache ich mir um Narbo eigentlich keine besonderen Sorgen. Ich fürchte mehr Überfälle auf die umliegenden Stämme.« Er wandte sich an Decimus Brutus. »Decimus, ist die Fünfzehnte für einen Winterfeldzug bereit?«
»Ja.«
»Sind die Füße versorgt?«
»Sicherheitshalber habe ich veranlaßt, daß die Legionäre ihre Ausrüstung zur Inspektion auf dem Boden ausbreiten. Die Zenturionen werden mir bei Tagesanbruch Bericht erstatten.«
»Letztes Jahr haben die Zenturionen nichts getaugt. Bist du sicher, daß du dich auf ihr Urteil verlassen kannst? Solltest du die Ausrüstung nicht besser persönlich inspizieren?«
»Ich glaube, das wäre falsch«, sagte Decimus Brutus ruhig. Er fürchtete sich nicht vor Caesar und hielt mit seiner Meinung nie hinter dem Berg. »Ich verlasse mich auf sie, Caesar, denn wenn ich mich auf sie schon nicht verlassen kann, dann auf die Legionäre erst recht nicht. Aber sie wissen, worauf es ankommt.«
»Du hast völlig recht. Übrigens habe ich sämtliche Kaninchen-, Wiesel-- und Frettchenfelle, die ich auftreiben konnte, für uns beschlagnahmt, denn dort, wo ich mit den Männern hin will, sind Socken kein ausreichender Schutz für die Füße. Außerdem habe ich sämtliche Frauen in Narbo und Umgebung angewiesen, für die Männer Schals und Handschuhe zu weben und zu stricken.«
»Bei den Göttern!« rief Lucius Caesar. »Wo willst du mit ihnen hin? Doch nicht zu den Hyperboreern ans Ende der Welt?« »Später«, sagte Caesar im Weggehen.
»Verstehe«, seufzte Lucius Caesar und sah Hirtius niedergeschlagen an. »Sowie es nötig ist, werde ich es erfahren.«
»Spione«, sagte Hirtius kurz und folgte Caesar hinaus.
»Spione? In Narbo?«
Decimus Brutus grinste. »Vermutlich nicht, aber weshalb sollte man etwas riskieren? Es gibt überall Leute, die uns hassen.«
»Wie lange bleibt Caesar hier?«
»Bis Anfang April.«
»Also noch sechs Tage.«
»Das einzige, was ihn aufhalten könnte, wären die Schals und Handschuhe, was ich mir allerdings kaum vorstellen kann. Vermutlich hat er nicht übertrieben, als er gesagt hat, sämtliche Frauen der Stadt würden für ihn weben und stricken.«
»Wird er den Soldaten sagen, was er mit ihnen vorhat?«
»Nein. Er erwartet, daß sie ihm folgen. Nachrichten, die wie bei den Galliern einfach weitergerufen werden, verbreiten sich in Windeseile. Wenn Caesar vor den versammelten Legionären seine Absichten verkünden würde, wüßte sofort ganz Narbo Bescheid und kurz darauf auch Lucterius.«
Trotzdem klärte Caesar seine Legaten beim Essen auf — allerdings erst, nachdem die Diener hinausgeschickt und Wachen im Gang aufgestellt worden waren.
»Ich bin nicht immer so vorsichtig«, sagte er und lehnte sich zurück. »Aber in einem hat Vercingetorix recht. Gallia Comata hat genügend Menschen, um uns zu vertreiben. Allerdings nur, wenn wir Vercingetorix die Zeit und die Gelegenheit geben, gleich jetzt sämtliche Männer zu mobilisieren, die er für seinen Sommerfeldzug braucht. Gegenwärtig hat er ungefähr achtzigbis hunderttausend Mann. Aber wenn er im Sextilis alle Gallier antreten läßt, wird diese Zahl auf eine Viertelmillion oder noch mehr anwachsen. Folglich muß ich ihn bis dahin besiegt haben.«
Lucius Caesar atmete hörbar ein, sagte aber nichts.
»Vercingetorix rechnet nicht damit, daß es vor Sextilis oder wenigstens Ende des Frühjahrs zu Auseinandersetzungen mit den Römern kommt. Deshalb hat er jetzt nicht mehr Männer unter Waffen. Im
Weitere Kostenlose Bücher