MoR 05 - Rubikon
sagte nicht, was er wirklich will, aber das konnten alle erraten.« Atticus runzelte die Stirn. »Er drohte ihnen mit der Proskription — daran kannst du sehen, wie wütend er war — und damit, sie haufenweise vom Tarpejischen Felsen zu stürzen. Sie sind zu Tode erschrocken!«
»Aber der Senat hat doch alles versucht!« protestierte Cicero, in Gedanken beim Prozeß gegen Milo. »Worauf will Pompeius hinaus? Das tribunizische Veto ist ein unveräußerliches Recht.«
»Der Senat soll den Notstand ausrufen und ihm den Oberbefehl übertragen. Mit weniger wird er sich nicht zufriedengeben«, erklärte Atticus bestimmt. »Die Spannung zehrt unendlich an Pompeius. Er wünscht sich ein Ende des ganzen Hin und Hers — und meistens sind seine Wünsche wahr geworden. Er ist in dieser Beziehung schrecklich verwöhnt, und daran trägt zum Teil auch der Senat die Schuld, Cicero! Seit Jahrzehnten geben ihm die Senatoren nach. Sie haben ihn mit einer Sondergewalt nach der anderen ausgestattet und ihm Dinge verziehen, die sie Caesar nie verziehen hätten. Jetzt verlangt Caesar, ein Mann aus altem römischem Geschlecht, daß der Senat ihn genauso behandelt wie Pompeius. — Wer steht denn deiner Meinung nach hinter Pompeius?«
»Cato, Bibulus — wenn er hier ist —, die Marcelli, Ahenobarbus, Metellus Scipio und noch ein paar Dickschädel«, sagte Cicero.
»Aber im Gegensatz zu Pompeius sind das alles doch nur Handlanger. Ohne Pompeius würde ihr Widerstand zusammenbrechen. Pompeius will keine Rivalen, und Caesar ist ein gefährlicher Rivale.«
»Wenn nur Julia nicht gestorben wäre!« jammerte Cicero.
»Nein, Cicero. Als Julia noch lebte, war Caesar keine Gefahr für ihn. Jedenfalls sah Pompeius das so. Er ist kein besonders weitsichtiger Mensch, und er würde sich heute kein Haar anders verhalten, auch wenn Julia noch lebte.«
»Ich muß ihn heute noch treffen«, sagte Cicero entschieden.
»Was willst du tun?«
»Ich will versuchen, ihn zu einer Einigung mit Caesar zu bewegen. Wenn er das ablehnt, soll er Rom verlassen, sich nach Spanien zu seinem Heer zurückziehen und die Sache dort aussitzen. Ich habe das Gefühl, daß die Senatoren trotz Cato und den fanatischen boni zu einem Kompromiß mit Caesar bereit wären, wenn sie nicht mehr auf Pompeius zählen können. Pompeius ist in ihren Augen der einzige, der Caesar schlagen kann.«
»Du scheinst das allerdings nicht zu glauben«, sagte Atticus.
»Mein Bruder glaubt es nicht, und er muß es wissen.«
»Wo ist Quintus denn?«
»Quintus ist bereits in Rom, er muß ja nicht wie ich vor der Stadtgrenze warten. Er wollte feststellen, ob deine Schwester inzwischen etwas sanftmütiger geworden ist.«
Atticus lachte schallend, bis ihm Tränen in die Augen traten. »Pomponia? Sanftmütiger? Eher würden Pompeius und Caesar sich aussöhnen!«
»Warum hängt in unserer Familie eigentlich immer der Familiensegen schief? Warum sind unsere Frauen immer so unverbesserlich zänkische Weiber?«
»Weil sowohl du, mein lieber Marcus, als auch dein Bruder Quintus eure Frauen wegen des Geldes geheiratet habt«, sagte Atticus nüchtern. »Und ihr bekommt bei eurer Abstammung eben nur die reichen Frauen, die andere nicht wollen.«
Zerknirscht begab Cicero sich zum Marsfeld (wo seine kilikischen Soldaten lagerten und auf seinen bescheidenen Triumphzug warteten) und zu Pompeius’ Villa.
Pompeius lehnte Ciceros Vorschlag, Rom zu verlassen und nach Spanien zu gehen, entrüstet ab.
»Ich soll einen Rückzieher machen?« rief er empört.
»Das ist doch Unsinn, Magnus! Tu doch einfach so, als würdest du Caesars Forderungen zustimmen, und warte in Spanien, bis alles vorbei ist. Du bist schließlich kein Konsul mehr, sondern nur einer von vielen Prokonsuln. Welcher Bauer läßt denn zwei erstklassige Böcke auf derselben Weide grasen? Hast du erst die römische Weide verlassen, kann es keinen Kampf geben. In Spanien bist du in Sicherheit und kannst ruhig abwarten. Und du hast dein Heer! Da überlegt Caesar doch zweimal, ob er gegen dich kämpft. Wenn du aber in Italia bleibst, sind seine Truppen näher bei ihm als deine Truppen bei dir — und seine Truppen stehen zwischen Spanien und Italia. Geh nach Spanien, Magnus, ich bitte dich!«
»Ich habe noch nie einen größeren Unsinn gehört!« knurrte Pompeius. »Nein, ich gehe nicht!«
Am sechsten Tag des Januar, während im Senat weiter hitzig gestritten wurde, ließ Cicero den Bankier Lucius Cornelius Balbus durch einen Boten höflich
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