Morag und der magische Kristall
ihr Kopf schmerze , es ihr davon abgesehen jedoch gut gehe.
»Das ist schön«, erwiderte er. »Ich bin froh, dass du nicht verletzt bist. Du hast einiges an Prügel abbekommen.«
Shona setzte gerade zu einer Antwort an, als ein Blitz über der schwachen Linie des Horizonts ihre Aufmerksamkeit erregte. Etwas bewegte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit auf die Insel zu, etwas, das sich dunkel vor dem Licht des mondhellen Himmels abhob. Shona kniff die Augen zusammen, um festzustellen, was es war. Es hatte starke Ähnlichkeit mit einer großen Wolke ziehender Vögel, aber die meisten Vögel flogen bei Nacht nicht.
»Kyle?«
»Öh-hö?« Er hörte ihr nur mit halbem Ohr zu.
»Was meinst du, was das ist?«, fragte sie und deutete mit einer Klaue gen Himmel. Die dunkle Masse war jetzt beinahe über ihnen.
»Keine Ahnung«, sagte er angespannt, »aber ich denke, wir sollten zusehen, dass wir so schnell wie möglich von hier fortkommen!«
Er packte Bertie und warf ihn in hohem Bogen an Bord. Der Vogel kreischte erschrocken auf, als er mit seinem verbrannten Hinterteil auf das Deck schlug. Aldiss folgte ihm sehr schnell und auf die gleiche Weise und landete, zu einer Kugel zusammengerollt, vor den Füßen des Dodos. Als Shona an Bord kletterte, schaukelte das kleine Boot gefährlich unter ihrem Gewicht. Die ganze Zeit über reckten Kyle und Morag den Hals, um den Himmel über ihnen im Auge zu behalten.
»Was ist das?«, fragte Morag unsicher. »Es könnten beinahe Fledermäuse sein …«
Kyle betrachtete blinzelnd die dunkle Wolke, die sich über ihren Köpfen blähte. Und tatsächlich, es waren Fledermäuse. Als sie näher kamen, sah er, dass jede einen Ring um den Hals trug, der am Ende eines langen, dünnen Metallkabels hing. An den Metallkabeln zogen sie eine im Mondlicht funkelnde, gewaltige schwarze Gondel hinter sich her. Und an deren Bug, der die Form einer zähnefletschenden Schlange hatte, bot sich ihnen der schrecklichste Anblick, den sie je gesehen hatten. Der Anblick eines hochgewachsenen Mannes, dünn, aber mit einem mörderischen Ausdruck auf dem bleichen Gesicht, und eines Klappdämons an seiner Seite.
»Devlish!«, kreischte Bertie, als die Gondel ihren schnellen Landeanflug begann.
»Beeilt euch!«, übertönte Kyle das Lärmen Tausender plärrender Fledermäuse. »Morag, an Bord mit dir!« Aber es war zu spät. Devlishs Gondel landete am Fuß des grasbewachsenen Hügels. Der Wind von einer Million Flügelschlägen wirbelte die Luft grimmig auf.
Devlish erhob sich, den Zauberstab gezückt, um sie zu begrüßen.
Kapitel 19
»Ihr wollt ablegen?«, höhnte Devlish, als er aus der Gondel stieg. Sein Begleiter, der Klappdämon Kaffeemaschine, war wie alle Dämonen zu feige, um an der Seite seines Herrn zu stehen, und blieb im Bug der Gondel hocken.
Devlish war ein hagerer Mann mit einem ausgemergelten weißen Gesicht und kurzem Haar, das wie das seiner Tochter flammend rot war. Er trug eine dunkelblaue Robe, die von seinem Status als ranghohem Hexenmeister kündete, und um seinen Hals hing ein großes goldenes Medaillon, das genauso aussah wie dasjenige, das Morag trug (was ihr keineswegs entging, als sie auf Henry hinabblickte). Die Bosheit des Hexenmeisters zeigte sich bereits in den Zügen seines Gesichtes. Er hatte eine lange , spitze Nase, kleine, hinterhältige Augen und dünne, blasse Lippen. Beleuchtet vom Schein der Fackeln, spiegelte sein Gesicht den Abscheu wider, den er für den Mann und das Mädchen vor sich empfand.
Eine Weile sagte niemand ein Wort.
»War meine Frage zu schwierig?«, erkundigte Devlish sich leise. »Ich kann sie für euch beantworten. Erstens werdet ihr mir zurückgeben, was mir gehört, und zweitens …« Er wurde unterbrochen, bevor er einen weiteren Atemzug tun konnte.
»Es gehört nicht Ihnen!«, widersprach Morag leise. Devlish funkelte sie an.
»Ich glaube nicht, dass du in der Position bist, mir zu sagen, wem was gehört, kleines Mädchen«, sagte er und spazierte auf sie zu.
Sie zuckte mit keiner Wimper, sondern reckte trotzig das Kinn vor. Plötzlich hatte sie vor nichts mehr Angst. Sie war nicht länger die schwache, kleine Gefangene von Moira und Jermy. Sie und ihre Freunde hatten zu viel durchgemacht, um sich jetzt noch von irgendjemandem aufhalten zu lassen, nicht einmal von diesem Hexenmeister, der über so unvorstellbare Macht verfügte. Ich werde es nicht zulassen, beschloss sie, nicht solange ich auch nur noch einen Atemzug im Leibe
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