Morag und der magische Kristall
sehr dankbar war. Sie war davon überzeugt gewesen, dass der Augenblick vor der Explosion ihr letzter sein würde.
»Wer sonst? Ich habe uns in eine schützende Kugel gehüllt. Sie kostete mich mehr Kraft, als ich erwartet hatte, aber es hat geklappt. Und das Ganze hat noch etwas Positives«, fügte Henry stolz hinzu. »Es sieht so aus, als hätte die Druckwelle den Zauber um das Auge gebrochen.«
»Oh, danke, vielen Dank«, rief Morag begeistert und küsste das Medaillon ab.
»Lass das!«, schrie Henry. »Lass das! Ich kann offene Zurschaustellungen von Zuneigung nicht ertragen!«
»Entschuldige!«, lachte Morag.
»Es tut mir leid, eure Party zu ruinieren«, bemerkte Kyle, »aber geht es allen gut?«
Alle nickten. Jeder hatte seine Verletzungen davongetragen, doch keiner von ihnen hielt es für nötig, sich zu beklagen.
»Dann denke ich, dass wir verschwinden sollten, bevor Ihre Ladyschaft dort drüben aufwacht«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf die bewusstlose Mephista. Sie halfen einander auf die Füße und eilten zur Tür. Dort blieb Kyle plötzlich stehen.
»Der Kristall! Wir haben den Kristall vergessen!«, sagte er mit offenkundiger Panik, bis Morag ihn sich hoch über den Kopf hielt. »Gute Arbeit, Kleine! Und jetzt kommt, lasst uns von hier verschwinden.«
Während Morag Henry und den Kristall in Händen hielt, Kyle Aldiss trug und Shona sich um Bertie kümmerte, liefen, sprangen und hüpften sie einer nach dem anderen die Wendeltreppe hinunter. Nachdem sie an allen schlafenden Wachposten im Turm vorbeigekommen waren – was ihnen wie eine Ewigkeit erschien –, erreichten sie endlich atemlos und aufgeregt das untere Stockwerk. Shona zog die Tür auf und ein Schwall frischer Meeresluft fegte herein. Erleichtert liefen alle fünf hinaus auf den von Fackeln beschienenen Innenhof.
Es begann zu regnen, eiszapfenkalte Wassertropfen trafen ihre Gesichter und Hände, aber nichts konnte ihrem Überschwang einen Dämpfer versetzen. Sie hatten es tatsächlich geschafft! Morag und Henry waren frei und der Kristall war gerettet. Immer noch vorsichtig ließen sie sich Zeit, während sie über den von Schatten erfüllten Innenhof schlichen. Sie wussten, dass die Wirkung des Schlaftrunks jederzeit nachlassen und die Wachen wieder munter werden konnten. Aber sie hätten sich keine Sorgen zu machen brauchen; die ganze Burg schlief weiter, keine Menschen- oder Riesenseele war zu sehen.
Kyle ging voran, auf das Tor der Burg zu. Zusammen mit Shona zog er es auf und geleitete die anderen hinaus in die kalte Herbstnacht. Am Fuß des Hügels, an der Pier, die in das schwarze Meer hineinragte, versprach das auf und ab hüpfende Fischerboot Sicherheit.
Den ganzen Weg hinunter zu der von Fackeln beleuchteten Mole konnte Aldiss nicht an sich halten und plapperte aufgeregt über die Geschehnisse.
»Oh, es war einfach wunderbar, wie Morag und Henry die Sache doch noch gerettet haben!«, quiekte er. »Dafür bekommen wir sicher alle eine Medaille!«
»Eine Medaille, mein lieber Junge?«, fragte Bertie. »Sogar Henry?«
»Hm, er sollte die größte von allen bekommen«, erwiderte der Rattenmann. »Weil er Mephista ratzfatz aufgehalten hat.«
»Bist du dir sicher, dass Henry eine Medaille wollen würde?«, hakte Bertie nach.
»Oh ja«, sagte Aldiss. »Die könnte er schlecht ablehnen. Er ist ein Held.«
»Denk darüber nach, alter Freund«, meinte Bertie. »Henry soll eine Medaille tragen?«
»U-hu«, murmelte Aldiss, ein wenig verstimmt darüber, dass sein Freund diese Idee so geringschätzig abtat. »Und was wäre daran auszusetzen?«, fügte er übellaunig hinzu.
»Ein Medaillon, dem man eine Medaille überreicht? Wie stellst du dir das vor?«, kicherte Bertie.
Aldiss stockte. »Oh!«, sagte er. »Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht! Das ist natürlich lächerlich.«
Er legte sein kleines braunes Gesicht nachdenklich in Falten. »Hm, dann werden sie sich für ihn einfach etwas anderes überlegen müssen, aber ich hätte trotzdem gern eine Medaille. Ich finde, sie würde sich hier sehr gut machen«, sagte er und klopfte sich auf die Brust.
Die Freunde eilten zu der Stelle hinüber, an der das kleine Fischerboot festgemacht war. Jetzt gab es niemanden mehr da, der sie aufhalten konnte, und als sie schließlich über die Mole rannten, konnten sie ihre Freude nicht länger bezähmen. Selbst Kyle entspannte sich ein wenig und erkundigte sich nach Shonas Wohlergehen. Die Drachenfrau antwortete ihm, dass
Weitere Kostenlose Bücher