Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)
um.
Der Kommandant stand in der Kirchentür, seine Männer hinter sich. Er klatschte in die Hände, und als er anhob zu sprechen, blitzte kurz ein Lächeln auf seinen schmalen Lippen auf. „Wohl gesprochen, Hochwürden, wohl gesprochen. Wenn dem so ist, werdet Ihr uns hoffentlich ebenfalls an der Messe teilhaben lassen. Meine Männer sind gute Christen und haben schon lange an keiner Eucharistie teilgenommen.“
Bichter zögerte.
Der Kommandant wartete ruhig auf eine Antwort. Gefährlich ruhig.
„Es ist nicht genug Platz in der Kirche. Seht ihr das nicht?“ Jakob Karrer hatte diese Worte gesprochen.
Der Kommandant musterte ihn unbeeindruckt, er sah Franz mit einem Verband neben seinem Bruder sitzen, blickte dann wieder Jakob Karrer an. „Einer wie der andere …“, sagte er leise und schüttelte den Kopf. Dann ging er langsamen Schrittes nach vorne, stellte sich von Angesicht zu Angesicht vor Bichter.
„Nun, ich würd sagen, es ist nur recht und billig, wenn einige Eurer Schäfchen, die jeden Sonntag hier sein können, Platz für meine Männer machen. Ein Sonntag bedeutet für die Euren nichts, für meine Männer alles.“
„Ich – ich …“, stammelte Bichter.
„Ausgezeichnet. Ich wusste doch, dass Ihr die Barmherzigkeit auch lebt“, sagte der Kommandant, drehte sich vor dem verblüfften Pfarrer um und fasste die Dorfbewohner ins Auge. Sein Blick fiel auf die sitzenden Bauern und die stehenden Knechte und Mägde, dann wandte er sich an Jakob Karrer. „Ich denk, Ihr seid lange genug gesessen. Vertretet euch am besten die Beine vor der Kirche.“ Als der ihn verständnislos anstarrte, hob der Kommandant die Stimme. „Na wird’s bald? Raus mit Euch, macht Platz für meine Männer!“
Jakob Karrer öffnete den Mund, schloss ihn wieder.
Alle starrten ihn an. Es herrschte Totenstille in der Kirche.
Der Kommandant legte die Hand an den Säbel.
„Brüder, bitte. Das ist ein Haus Gottes –“
Ein Rumpeln unterbrach die flehentliche Stimme von Kajetan Bichter. Jakob Karrer war so heftig aufgestanden, dass die Sitzbank fast umfiel. Wortlos drängte er sich durch die Reihen der Dorfbewohner nach draußen. Nach einer kurzen Pause folgten ihm Riegler, Buchmüller und die anderen.
„Warum nicht gleich so?“, kommentierte der Kommandant den Abgang der wichtigsten Männer des Dorfes ironisch, dann winkte er seine Soldaten nach vorne. Die setzten sich in die ersten Reihen. Der Kommandant wandte sich an Bichter. „Ihr mögt fortfahren.“
Dann setzte er sich neben seine Männer.
Alle in der Kirche hatten der Szene atemlos beigewohnt. Jetzt setzte leises Murmeln ein, das verstummte, als Bichter die lateinischen Worte zur Messeröffnung sprach.
Johann war beunruhigt. Nicht wegen der Soldaten, er wusste nach wie vor, dass dem Dorf nichts geschehen würde, wenn alle sich ruhig verhielten. Die Szene eben war nichts als eine Machtdemonstration gewesen, die Johann im Stillen gefallen hatte. Nein, es war der mörderische, schrankenlose Hass in Jakob Karrers Gesicht gewesen, der ihm Sorgen machte. Er kannte diesen Ausdruck.
Wo immer er ihn gesehen hatte, war der Tod alsbald gefolgt.
Johanns Blick fiel auf den Großvater, der hinten bei den Knechten und Mägden stand. Der alte Mann schien Johanns Blick zu spüren, wandte den Kopf und blickte ihn an.
Johann sah in den Augen des Großvaters die gleiche Art der Besorgnis, die er selbst empfand.
War er am Abend zuvor zu harsch zu Johann gewesen? Martin Karrer kamen Zweifel. Er blickte Johann an, dann Elisabeth.
Entscheidungen mussten getroffen werden.
Er wusste innerlich, dass etwas Folgenschweres bevorstand. Seine Sorge galt allerdings nicht sich selbst. Das Leben war, trotz aller bitteren Einschnitte, nicht schlecht zu ihm gewesen. Aber Elisabeth hatte das ihre noch vor sich.
Entscheidungen.
Sie hatte sich für Johann entschieden, und das sollte ihr niemand verwehren. Martin Karrer fuhr sich durch den Bart und zwirbelte die Spitzen nach unten. Nun hatte er sich zu entscheiden.
„So tretet nun vor, um den Leib des Herrn zu empfangen …“
Die Soldaten standen auf und gingen einer nach dem anderen Richtung Altar.
Als die Messe zu Ende war, verließen die Soldaten die Kirche, gefolgt von den Dorfbewohnern. Draußen standen die Leute in Gruppen zusammen und sprachen gedämpft miteinander. Es schneite, aber nur mehr ganz leicht, die großen Schneefälle waren offenbar vorbei.
Fürs erste.
Einige der Soldaten musterten die Frauen anzüglich. Diese
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