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Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)

Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)

Titel: Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Zach
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Leiche Bachers ab, drückten die Gesichter ihrer Kinder in ihren Schoß.
    „Ich hab euch gewarnt! Ihr verfluchten Bauern, ich hab euch gewarnt! Wenn noch einer aus der Reihe tanzt, wird es ihm wie diesem Tölpel da ergehen, ich schwör’s euch!“ Der Kommandant blickte in die Gesichter der Bauersleute, die ihm mit einer Mischung aus Furcht und Hass begegneten. Es war ihm egal, er hatte diesen Ausdruck schon oft gesehen, in so vielen Ländern und Dörfern. Mochten sie ihn hassen – wichtig war, dass sie ihm gehorchten. Und das würden sie ab jetzt.
    „Wird wohl nichts aus der vorweihnachtlichen Geste, oder, Herr Kommandant?“, flüsterte Albrecht, die Antwort bereits wissend.
    „Ich fürcht nicht, Albrecht. Manchmal muss die Konsequenz über die Vernunft siegen.“ Er räusperte sich lautstark.
    „Wir rücken ab!“
    Langsam setzte sich der Trupp in Bewegung. Hinter Johann reihten sich die beiden Soldaten ein, die Bacher erschossen hatten, sie bildeten die Nachhut.
    Plötzlich lief Elisabeth zu Johann.
    „Geh zurück, bevor noch was passiert!“, herrschte Johann sie an.
    Sie achtete nicht auf seine Worte und nahm ihre Silberkette ab, die sie von ihrer Mutter hatte. Sie drückte Johann die Kette in die Hand. „Sie wird dir Glück bringen.“
    Dieser steckte die Kette nach einem Augenblick des Zögerns ein. Er wollte noch etwas sagen, aber der Soldat hinter ihm stieß ihm den Kolben seines Gewehres in den Rücken. „Weiter, Knecht!“
    Johann nickte Elisabeth zu, dann marschierte er weiter.
    Elisabeth blieb stehen und sah ihm nach. „Bring’s mir ja wieder!“, rief sie ihm hinterher, mit den Tränen kämpfend.
    Sei stark. Das Letzte, was er sehen soll, ist eine starke Frau, kein verheultes Weib
.
    Der Trupp entfernte sich, verschwand im Nebel.
    Dann waren die Männer fort.
    Elisabeth schossen Tränen heraus, sie fiel auf die Knie und hielt sich die Hände vors Gesicht. Warum konnte das Gute nie von Dauer sein? Hatte nicht ein jeder das Recht auf Glück?
    Der Großvater trat zu ihr und half ihr auf. „Das wird schon, Kinderl. Der Johann kommt zurück, das spür ich.“
    Elisabeth wollte daran glauben, sie musste daran glauben, was blieb auch anderes übrig? Also ging sie mit Sophie und ihrem Großvater zum Haus zurück, während der Schneefall immer stärker wurde …

XXXIV
    Der Wind peitschte dem Trupp die dicken Flocken fast waagrecht entgegen, die Männer kämpften sich durch den kniehohen Schnee zum Waldrand hinauf.
    Johann fühlte die Gefahr, der sie entgegengingen, er drückte immer wieder Elisabeths Kettchen.
    Und schwor sich, zurückzukommen.
    Wie so viele deiner Kameraden, die nur Minuten später niedergestreckt worden waren, unfähig, ihren Schwur einzulösen
.
    Früher war man noch Herr über sein Schicksal gewesen, der Gegner stand vor oder hinter einem. War man geübt, so konnte man parieren, ausweichen, Gleiches mit Gleichem vergelten. Der Tod hatte ein Gesicht – das des Stärkeren, des Schnelleren, des Überlebenden. Doch die Kugel war ohne Antlitz. Sie schoss durch die Luft und streckte den Nächstbesten nieder, der ihr im Wege stand. Ohne Vorwarnung.
    Johann mochte Schusswaffen nicht. Sie waren schwer, klobig und umständlich nachzuladen. Aber sie hatten einen Vorteil: Jeder noch so tollpatschige Narr konnte sie bedienen. Solange man nur imstande war, einen Finger zu bewegen, war man in der Lage, aus sicherer Entfernung einem Mann das Leben zu entreißen. Hatte man diese Entfernung aber nicht, so konnte sich das Blatt augenblicklich wenden.
    Wie in engen Räumen. Besonders in engen Räumen.
    Johann dachte an die Ruine im Wald, an die finsteren Gänge. Das würde auch für die Bayern kein gütliches Ende nehmen. Vermutlich für Niemanden.
    Das Dorf war wie ausgestorben, der Sturm peitschte ungehindert zwischen den Häusern hindurch. Im Haus von Martin Karrer signalisierte ein einsames Licht im Stubenfenster Leben.
    Elisabeth umklammerte einen Becher warmer Milch, neben ihr saß der Großvater und schmauchte eine Pfeife. Die Stube war dunstig, es war ein Ort, an dem sie sich immer geborgen und sicher gefühlt hatte.
    Sicher bei ihrem Großvater. Sicher vor ihrem Vater.
    Dieses Gefühl schien im Augenblick jedoch so fern wie der nächste Sommer. Fragen rasten ihr durch den Kopf. Warum waren alle so bereitwillig mitgegangen? Das Dorf wäre stark genug gewesen, sich zu wehren.
    Und wo war ihr Vater?
    „Komm, Kinderle, beten wir zum Herrgott. Das ist alles, was wir im Moment tun können.“

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