Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
Geistes“, begann der Hausherr das Tischgebet. „Herr, wir danken Dir für dieses Mahl, und dass wir es mit jenen teilen dürfen, die es nötiger haben als wir. Auf dass Du uns auch weiterhin vor Leid und Elend schützen mögest, damit wir unser Werk in Deinem Sinne verrichten und unser Leben in Deinem Namen führen können. Amen.“
Der Vater ließ die Hände seiner Nachbarn los. Alle bekreuzigten sich, dann wurde ausgiebig gegessen.
Als der größte Hunger gestillt war, wandte sich der Vater an die Männer. „Wohin wollt ihr?“
Der Preuße seufzte. „Wir wollten jene befreien, die in die Käfige gesperrt waren. Aber wir sind zu spät gekommen.“ Er machte eine Pause, damit die Alte ihren Satz sagen konnte, aber die schien nur am Eintopf interessiert.
„Auch Johanns Weib war gefangen, wir fürchten, dass sie –“ Der Preuße brach ab. Johann legte den Löffel in die Schüssel und schluckte krampfhaft, die Mutter bekreuzigte sich.
„Wer waren sie?“, wollte der Vater wissen.
„Nur ein paar arme Seelen, denen das Schicksal nicht gewogen war – wie so vielen“, sagte Karl. „In Wien hat man Hunderte von ihnen umgebracht.“
Hans gab ihm einen Rempler.
„Was denn? Sollen ruhig alle erfahren, was sich zugetragen hat.“
„Und du glaubst, dass dann dein Kopf noch lang auf deinen Schultern sitzt?“
„Zumindest sitzt er bis dahin aufrichtig erhoben“, entgegnete Karl stur.
„Und wohin werdet ihr weiterziehen?“, fragte der Vater, ohne das Löffeln zu unterbrechen.
„Wir wollen den suchen, der für das Massaker auf der Lichtung verantwortlich ist, und ihn zur Rechenschaft ziehen“, antwortete Wolff. „Ich nehme an, dass er über den Semmering und dann weiter über den südlichen Jakobsweg nach Italien will.“
Johann nickte. „Davon gehe ich auch aus. Und dort werden wir ihn auch irgendwo aufspüren.“
„Seid gewiss, der Herr wird über ihn richten und Seine Strafe wird gerecht sein“, sagte der Vater im Tonfall eines Predigers.
„Davon bin ich überzeugt“, entgegnete Johann. „Aber zuerst sind wir dran.“ Er nahm die Holzschüssel in die Hand und trank den Rest des Eintopfs.
„Mit Verlaub, Ihr habt nicht nur ein adrettes Weib, sie versteht es auch ausgezeichnet zu kochen“, sagte Karl. Der Vater ergriff die Hand seiner Frau und drückte sie. „Ich danke vielmals. Sie ist das Licht meines Lebens.“
Die Mutter lächelte und warf ihrem Mann einen liebevollen Blick zu.
„Das tun die dauernd.“ Mit einem dreisten Grinsen deutete der Sohn auf die Eltern.
„Das will ich hoffen“, belehrte ihn der Preuße. „Wofür sonst würde sich das Leben lohnen?“
Der Junge verschränkte trotzig die Arme. „Für einen vollgefressenen Bauch.“ Die anderen mussten lachen, was die trotzige Miene des Jungen nur noch mehr verfinsterte.
„Ihr könnt hier im Haus in einem kleinen Zimmer nächtigen“, sagte die Mutter. „Oder ihr legt euch in die Scheune aufs Stroh, da ist mehr Platz.“
Der Preuße sah durchs Fenster in die Nacht und den stärker gewordenen Regen.
„Bevor wir wieder da hinaus müssen, werden wir uns dankbar das Zimmer teilen“, entschied er.
Alle bis auf Johann nickten zustimmend. Dieser war in Gedanken bei Elisabeth.
XXVIII
François Antoine Gamelin leerte gierig den Rest der sämigen Gemüsesuppe. Er stellte die Holzschüssel auf den Tisch und lehnte sich zufrieden zurück. Auch wenn er die Kargheit der Stube als abscheulich empfand, so bot sie doch alles, was er im Moment dringend begehrte.
Die Speise wärmte ihn von innen heraus, seine Kleidung war wieder trocken. Er schlüpfte aus den Stiefeln und legte die Füße, die in Fußfetzen gewickelt waren, auf die Holzbank.
Dann nahm er eine Pfeife aus seinem Lederbeutel, stopfte sie penibel mit Tabak und zündete sie mit einem Kienspan an. Der erste Zug ist immer der beste, dachte er, während er formvollendete Rauchkringel in die Luft blies.
Wieder einmal war ihm das Schicksal wohlgesonnen gewesen. Denn obwohl sein Plan, die Kranken nach Italien zu bringen, durch den feigen Angriff aus dem Hinterhalt gescheitert war und er alle seine Männer verloren hatte, so wusste er doch, dass nicht alle Kranken tot waren. Elisabeth Karrer war die Flucht gelungen, gemeinsam mit diesem Alain, das hatte er glücklicherweise noch gesehen, bevor das Chaos auf der Lichtung eskaliert war. Und damit blieb sein Plan bestehen, mehr noch: Wenn er sie erst wieder eingefangen hatte, konnte er mit ihr wesentlich schneller nach
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