Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
und ging auf die Tür zu.
Elisabeths Herz schlug. War das die Rettung? In Gestalt eines Mannes, eines Ungeheuers, das sich für den Vollstrecker des Herren hielt? Aber hatte sie eine Wahl?
Geh. Schnell!
Der Riese trat durch die Tür, füllte den ganzen Rahmen aus. Elisabeth wollte ihm gerade folgen, als sie ein metallisches Singen vernahm. Einen Augenblick lang stand der Riese still – dann sackte er langsam nach hinten und krachte zu Boden.
Im Türrahmen stand Gamelin, den blutigen Degen in der Hand. Auf der Brust des Riesen, dort, wo sich das Kreuz befand, erschien ein roter Fleck, der schnell größer wurde.
„Alles muss man selbst machen“, brummte Gamelin und trat über den Mann, der bewegungslos am Boden lag und schwer atmete. Gamelin hob seinen Degen, stieß mit brutaler Gewalt zu und durchbohrte den Riesen erneut. Elisabeth stöhnte auf, ein Zittern ging durch den Körper des Riesen, er erstarrte.
Der Wirt tauchte auf und blickte mürrisch auf den Leichnam hinab. „War das nötig? Gekocht hat er gut …“
„Niemand hintergeht mich.“ Gamelins Augen schienen in der Dunkelheit zu glühen, der Wirt zuckte unwillkürlich zurück. „Begrab ihn mit meinem Soldaten. Wir reiten noch vor dem Morgengrauen los.“
Der Wirt nickte, hinter ihm erschienen die Männer aus der Stube. Ächzend und stöhnend zogen sie den Leichnam aus der Kammer.
Gamelin musterte Elisabeth. „Es ist zwecklos, mein Täubchen. Sieh es ein.“
Donnernd schlug die Tür zu. Elisabeth blieb in der Dunkelheit zurück.
XLVII
An Seine Exzellenz Emanuel Graf von Arco,
Oberkommandierender des II. Königlich Bayerischen Infanterie-Regimentes
Festung zu Kufstein, Anno Domini 1704
Exzellenz,
die Tyroler machen uns schwer zu schaffen, wir erbitten dringend Unterstützung. Die Lage ist ernster als je zuvor, nun, da unser letztes Kürassier-Regiment im Kampf aufgerieben wurde. Wie befohlen hatten die Männer bei einem Ausfall einen vorgeschobenen Posten des Feindes vernichtet, sind aber, wiewohl sie die besten und edelsten Kämpfer des gesamten Regimentes waren, auf dem Rückzug von Tyroler Sturmscharen vernichtet worden.
Kundschafter haben mir zudem berichtet, dass ein Kampftrupp schwarz gewandeter Männer unter dem Banner der Kirche Richtung Westen unterwegs ist – ob als Verstärkung für die Sturmscharen, wissen wir nicht.
Ich bitte noch einmal um die Entsendung frischer Verbände, da ich ohne diese eine Besetzung der Festung für die kommenden Monate nicht mehr garantieren kann.
Euer untertänigster Diener
Oberst Friedrich Wolter
XLVIII
Der Regen hatte aufgehört. Dichter Nebel lag über dem Land, was Johann nur recht war, denn er verbarg sie vor neugierigen Augen.
Der tagelange Ritt, der Johann und Wolff durch die südlichen Kronländer bis nach Tyrol geführt hatte, war erbarmungslos gewesen. Sie hatten wenig gesprochen, wenig geschlafen und die Pferde durch frische ersetzt, wann immer es möglich gewesen war.
Aber es hatte sich gelohnt, denn sie hatten ihr Ziel erreicht.
„Da oben!“ Johann zeigte in das Nebelmeer, das für einen kurzen Augenblick aufriss und einen Berg, auf den ein steiler Pfad führte, enthüllte.
Wolff blickte durch die wabernden Schwaden nach oben. „Wer baut denn da oben ein Kloster?“
„Es sollte ursprünglich hier im Tal entstehen“, sagte Johann, „aber bei den Arbeiten hat es dauernd Verletzte gegeben. Nach einem besonders schweren Unglück sind plötzlich zwei Adler vom Himmel gestoßen, haben die blutigen Sägespäne in ihre Schnäbel genommen und sie auf den Berg getragen, wo sie sie abgelegt haben. Also hat man beschlossen, Altmarienberg dort zu bauen.“
„Jedem Narr seine Geschichte.“
„Du musst sie nicht glauben, Leutnant“, Johanns Stimme war hart, „aber das Kloster ist jedenfalls dort, aus welchen Gründen auch immer.“
„Immer mit der Ruhe.“ Wolff machte eine abwehrende Handbewegung. „Du machst mir eigentlich nicht den Eindruck, als ob du an solche Märchen glaubst.“ Er beugte sich vor. „Ich selbst glaube daran “, er deutete auf seinen Kopf, „und an das “, er tippte auf den Degen an seiner Seite.
Johann nickte. „Mehr brauchen wir im Augenblick auch nicht.“
Langsam ritten sie den Pfad hinauf.
Ein seltsames Gefühl ergriff Johann, als sie sich Altmarienberg näherten. Ob Abt Bernardin noch am Leben war? Seit damals hatte er ihn nie wiedergesehen, jedoch immer wieder vorgehabt, ihn eines Tages zu besuchen. Denn es war der Abt gewesen, der ihn
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