Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
aufgenommen und dafür gesorgt hatte, dass ihm die gleiche Ausbildung zuteilwurde wie den Klosterschülern. Und er war ihm nicht gram gewesen, als Johann eröffnete, dass er für das Leben der Mönche nicht geschaffen sei. Im Gegenteil, er hatte ihm die Ausbildung zum Schmied ermöglicht.
Für Johann, der nie Eltern gehabt hatte, war der Abt die einzige Person gewesen, die einem Vater nahekam.
Warum hast du ihn dann nie besucht?
Immer wieder hatte er es sich vorgenommen, nach seinen Wanderjahren und seiner Zeit als Schmied, aber dann war alles anders gekommen. Er dachte an seine gewaltsame Rekrutierung, die Kämpfe an der Front, die Gefangenschaft … und schließlich an das Dorf – und sie . Und an die Hölle, die über Wien hereingebrochen war.
„Johann, langsam.“
Johann drehte sich um, er konnte Wolff nicht mehr sehen. Dann tauchte der Leutnant wie ein Geist im Nebel auf.
„Ich würde es begrüßen, wenn du in Sichtweite bleibst.“ Wolffs Stimme klang gelassen. „Nicht jeder vermag im Nebel zu sehen wie du.“
„Meine Augen sind nicht besser als die deinen, aber ich bin diesen Weg als Kind hunderte Male und öfter gegangen. Ich könnte ihn blind ersteigen.“
Sie ritten weiter, das Klappern der Hufe war das einzige Geräusch weit und breit, hie und da tauchten Bäume am Wegesrand auf.
„Pass auf dich auf“, sagte Johann. „Ab jetzt wird der Weg gefährlich.“ Er riss im Vorbeireiten einen Tannenzapfen ab und warf ihn in den Nebel zu seiner Linken.
Kein Laut war zu hören.
Wolff blickte ihn an. „Eine Schlucht?“
Johann nickte.
„Wo führt sie hin? In die Hölle?“ Wolff äugte hinunter.
Johann grinste. „So weit nun auch nicht. Aber ich würde dir nicht raten, es herauszufinden.“
Der Weg zog sich schier endlos hinauf. Dann riss der Nebel schlagartig auf, lag wie ein weißes Meer unter ihnen.
Johann zügelte sein Pferd. „Wir sind da.“
Vor ihnen spannte sich eine Brücke über die Schlucht. Sie ruhte auf mächtigen steinernen Säulen und war mit einem Holzdach ausgestattet. Hinter ihr schlängelte sich ein Weg durch einen dichten Wald. Und über dem Wald, auf einem Felsvorsprung, lag Altmarienberg. Wuchtig ragte das Kloster in den tiefblauen Himmel.
Wolff pfiff durch die Zähne. „Beeindruckend. Aber wenn die Kirche ebenso viel Zeit und Geld in die Menschen investieren würde, wie sie in den Bau von Kirchen und Klöster steckt, wäre die Welt ein besserer Ort.“
Johann schüttelte den Kopf. „Die Klöster sind für die Menschen da. Es gibt niemanden, der mehr für die Kranken in unserem Land tut als die Kapuziner. ‚Für die Menschen‘, das ist ihr Leitspruch.“
„Der da vorne sieht mir aber nicht wie ein Kapuziner aus“, sagte Wolff ruhig.
Drei Männer ritten unter dem Dach der Brücke hervor, zwei Soldaten und ein Mönch. Die weiße Kutte mit dem schwarzen Umhang war unverkennbar die eines Dominikaners.
„Lass mich das machen“, flüsterte Wolff. Johann nickte unmerklich.
Die Soldaten und der Mönch blieben vor ihnen stehen. Die Soldaten waren groß und kräftig, der Dominikaner war schlank und trug einen schwarzen, sorgfältig gepflegten Bart. Er hatte stechende Augen, denen nichts zu entgehen schien.
„Gott zum Gruße.“ Seine Stimme war leise.
„Gott zum Gruße, Pater.“ Wolff neigte sein Haupt.
„Was führt Euch nach Altmarienberg?“
„Pater, ich bin Georg Maria Wolff, Leutnant der Rumorwache zu Wien, und auf besonderen Befehl seiner Exzellenz des Kaisers unterwegs.“
„Ihr seid weit weg von zu Hause, Leutnant Wolff.“ Noch immer war die Stimme des Dominikaners leise.
„Sicher habt Ihr einen Marschbefehl, der Eure Behauptung stützt“, sagte der Soldat zur Rechten des Mönchs.
Wolff lächelte bedauernd. „Im Scharmützel verloren gegangen. Aber wir müssen dringend den Abt sprechen.“
„Leider wird dies nicht mehr möglich sein“, sagte der Dominikaner. „Abt Bernardins Kräfte haben ihn plötzlich verlassen, er liegt im Sterben.“
Johann atmete scharf ein, die Männer blickten ihn misstrauisch an. Einer der Soldaten musterte ihn besonders genau.
Bernardin im Sterben? Johann wollte sofort –
Wolff schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. Johann versuchte mit aller Kraft, sich zu beruhigen, aber am liebsten hätte er den Dominikaner und seine Männer über den Haufen geritten.
Wolff fixierte den Mönch. „Das tut mir leid zu hören, Pater. Wir werden im Kloster um eine kurze Rast bitten und dann zurückreiten.“
Der Soldat,
Weitere Kostenlose Bücher