Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
zufrieden zurück und verschränkte die Hände über seinem Bauch.
Die Tür flog auf und der Wirt kam herein, er trug eine große Platte mit dampfenden Knödeln, Fleisch und Kraut sowie drei Krügen Bier.
„Ich wollte eh gerade essen. Greift zu.“
Nach dem Essen und dem unvermeidlichen Schnaps, der Johann nach von Freisings Teufelszeug wie klares Wasser vorkam, rauchten die Männer genüsslich Pfeife. Elisabeth hatte sich auf einer Bank neben dem Feuer zusammengerollt und war sofort eingeschlafen.
Johann merkte erst jetzt, wie müde und ausgelaugt er war. Es war still in der Schenke, er war satt, der Tabak brannte würzig auf seiner Zunge, und ihm war zum ersten Mal seit Tagen warm. Schläfrigkeit überkam ihn, aber er riss sich zusammen, sie hatten keine Zeit.
Ludwig klopfte die Pfeife aus. „Was machst du in der Stadt, List?“
„Bin nur auf der Durchreise.“
„Wieder einmal? Na, besser für dich, es wimmelt hier von Soldaten. Wohin soll’s gehen?“
„Süden.“
Der Wirt kratzte sich am Kopf. „Da ist aber die Front.“
„Wir biegen davor ab.“
„Jakobsweg, wie?“, lachte der andere. „Johann List als Pilger – so weit ist es schon gekommen. Der Herr steh uns bei!“
„Vielleicht komm ich im Iseltal vorbei“, sagte Johann. „Liegt am Weg.“
Ludwigs Gesicht wurde ausdruckslos.
„Dort lebt doch noch deine Familie, oder?“, fragte Johann.
Der Wirt seufzte. „Schon lang nicht mehr. Frau und Kind sind am Fieber gestorben, da hat mich nichts mehr dort gehalten. Einem Verwandten meiner Mutter hat dieses Wirtshaus gehört, ich hab’s mit ihm geführt und es übernommen, als er vor einem Jahr gestorben ist.“ Er machte eine Pause. „Und soll ich dir was sagen? Ich fühl mich gar nicht unwohl hier. Nur weil die Leute arm sind, heißt das ja nicht, dass sie nichts fressen wollen. Ich hab also eine Vereinbarung: Ich verlange wenig, dafür zerhauen sie mir meine Stube nicht.“ Er lachte bitter. „Mein Wirtshaus ist das ruhigste in ganz Innsbruck.“
Die Männer schwiegen.
Dann brach Johann das Schweigen. „Tut mir leid für dein Weib und dein Kind, Ludwig.“
Der Wirt zuckte mit den Schultern. „Sie sind beim Herrn. Und so wie es zugeht in der Welt, sind sie vielleicht eh besser dran.“ Die Worte klangen gefühllos, aber Johann wusste, dass Ludwig anders dachte. Er hatte damals auf dem Hof erlebt, wie liebevoll der Mann mit seiner Familie umgegangen war und wie todesmutig er sie gegen die Söldner verteidigt hatte.
Ludwig deutete auf die schlafende Elisabeth. „Ich geb dir einen Rat: Schaff sie irgendwohin, wo nicht alle Handbreit jemand gemeuchelt wird oder an einer Seuche krepiert.“
Johann hätte fast aufgelacht. „Wenn du wüsstest, was wir hinter uns haben …“
„Ich mein nur, dass ihr euch beeilen solltet. Auch wenn der Jakobsweg sicher ist, filzen sie am Weg zum Brenner alles, sogar die Läuse. Außerdem gehen Gerüchte um, dass sich die Truppen demnächst von der südlichen Front hierher zurückziehen. Dann kommt keiner mehr durch. „
„Wir brechen noch heute auf.“
„Dass du durchkommst, bezweifle ich nicht, Aber sie –“, Ludwig blickte auf Elisabeth.
„Ohne sie geh ich nirgendwohin“, sagte Johann bestimmt.
Der andere lachte. „Da schau her. Dann gib nur gut Acht auf sie.“
Es klopfte an der Eingangstür. Johanns Hand glitt unwillkürlich zu seinem Messer. Der Wirt hatte die Bewegung gesehen und legte seine Hand auf Johanns Schulter. „Kein Sorge. Soldaten klopfen nicht an. Außerdem hab ich seit einem Jahr keine mehr gesehen. Waten lieber im Blut als im Mist, wie’s ausschaut.“
Er stand auf und verließ die Schank.
Johann setzte sich zu Elisabeth. Er rüttelte sie vorsichtig, sie schlug die Augen auf. „Müssen wir schon weiter?“, fragte sie und gähnte. „Hier wär’s grad recht.“
„Wenn wir erst in Leoben sind und Papiere haben, können wir überall hin“, sagte Johann mit ermutigender Stimme. „Wie ich’s dir damals versprochen hab.“
Sie küssten sich. Dann sah er sie prüfend an. „Sag mir die Wahrheit: Fehlt dir etwas?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin nur von der Reise so müde.“
„Das sagst du seit Tagen.“
Sie zögerte.
Doch bevor sie etwas sagen konnte, schwang die Tür auf. Ludwig kam in den Raum und deutete hinter sich. „Dahinten steht ein Pfaff, der offenbar seine Zunge verschluckt hat. Gehört der zu euch?“
„Gut seht ihr aus. Wie brave Pilger.“ Der Wirt grinste.
Johann und Elisabeth
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