Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
sagen?
Oder soll ich mich Bruder von Freising anvertrauen? Aber er ist nicht mehr lange bei uns, morgen werden wir uns trennen. Johann und ich gehen nach Leoben, von Freising führt die Pilger nach Wien.
Ich hoffe, dass wir in Leoben die Papiere bekommen und weggehen können. Einer der Pilger hat uns von seinem Heimatland in Siebenbürgen erzählt, wo es ruhig und friedlich sein soll.
Wo wir nicht gesucht werden.
Es klingt wie ein Traum.
XXIV
Es war klirrend kalt, die Wolken hingen tief über dem Tal und ließen die Bergspitzen nur erahnen. Die Gruppe hielt auf einer Anhöhe und betrachtete das Tal, das sich vor ihnen ausbreitete, seine schneebedeckten Felder und den Fluss, der sich eigenwillig gekrümmt durchschlängelte.
Von Freising deutete auf eine befestigte Anlage zu ihrer Linken, bewacht von schweren Rundtürmen, in deren Mitte eine Kirche mit Zwiebelhauben thronte.
„Das ist das Stift zu Göss, unsere Wege werden sich also trennen. Das Frauenkloster leitet die Äbtissin Katharina Benedikta von Stürgkh, sie wird uns herzlich aufnehmen.“
Johann grinste. „Dann viel Vergnügen.“
Von Freising wurde rot. „Ihr seid selbstverständlich auch willkommen, die Nacht dort zu verbringen, und –“
„Bruder, das war ein Scherz. Außerdem wollen wir so schnell wie möglich nach Leoben“, sagte Johann.
Von Freising lächelte und deutete nach Norden, aber Johann konnte ob des diesigen Wetters kaum etwas erkennen.
„Folgt der Mur, sie führt euch an der Waasener Vorstadt vorbei und direkt vor die Stadttore von Leoben.“
Johann lächelte. „Wir finden schon hin.“
Die beiden Männer standen sich gegenüber, keiner wusste die rechten Abschiedsworte zu finden.
„Als’ dann, Johann.“
„Als’ dann, Bruder.“
Der Mönch blickte Johann fest in die Augen. „Das Pferd bleibt bei euch, ihr braucht es dringender als wir.“
„Eigentlich ist es Burkharts Pferd –“, ließ ein Pilger aus der Menge vernehmen, „wir könnten –“
Von Freising drehte sich ihm um. „Willst du nach Wien oder hier bleiben, Bruder?“, fragte er ruhig.
Der Pilger blickte zu Boden und schwieg.
„Mitleid und Selbstlosigkeit. Dir hat die Pilgerfahrt wirklich viel gebracht“, sagte von Freising kopfschüttelnd.
Johann lächelte. „Wär nicht der erste Pilger auf Irrwegen.“ Er streckte von Freising die Hand entgegen. „Ich danke Euch für alles, Bruder.“
Der Mönch ergriff Johanns Hand und schüttelte sie kräftig. „Ich danke dir, Johann. Ich wünsche euch alles Gute – und wenn ihr je nach Wien kommen solltet, ich besuche die Kapelle zur lieben Magdalena recht häufig, sie liegt direkt vor dem Dom zu Sankt Stephan.“
Elisabeth trat zu den beiden und umarmte von Freising herzlich. Dieser war zunächst überrascht, erwiderte dann die Umarmung.
„Betet für mich, Vater“, sagte Elisabeth leise.
„Das werde ich.“ Er ließ sie los, machte ihr ein Kreuzzeichen auf die Stirn.
„Das werde ich …“ Sein Blick war gütig, schien bis in Elisabeths Seele zu reichen und sie zu beruhigen.
Von Freising machte das Zeichen des Segens über Johann und Elisabeth. „Omnia Ad Maiorem Dei Gloriam“, sagte er, dann drehte er sich um und führte seine Pilger zum Stift.
Den Abschluss bildete Basilius, schweigend wie immer.
Die Sonne stand schon tief am Himmel, als Johann und Elisabeth Leoben erreichten. Entlang des Weges zu ihrer Linken duckten sich die kleinen Häuser und Gewerbebetriebe der Vorstadt Waasen. Aus allen Schloten quoll dicker Rauch, die Bewohner nutzten emsig das letzte Tageslicht für ihre Arbeiten. Johann und Elisabeth ritten langsam auf die Stadt zu. Zu ihrer Rechten legte sich die vereiste Mur in einer weiten Mäanderschleife um Leoben, man konnte die Stadt deshalb nur durch je eine Holzbrücke im Westen und Osten betreten. Waren die Brücken aus irgendeinem Grund gesperrt, gewährte einzig ein kleines Tor in der südlichen Stadtmauer Zutritt.
In der Mitte der massiven Westbrücke wachte lebensgroß der gekreuzigte Heiland über die Reisenden. Am Ende der Brücke thronte ein halbrunder Vorzwinger, dessen hängendes Fallgitter wie die Zähne eines aufgerissenen Mauls wirkte. Hinter ihm erhob sich der schlanke Mautturm, an dessen Fassade ein prächtiger Doppeladler aufgemalt war.
Auf beiden Seiten des Mautturms verlief die wuchtige Ringmauer, immer wieder von vorstehenden Wehrtürmen durchbrochen.
Vor der Westbrücke herrschte dichtes Gewimmel, Bauern, Soldaten, Kesselflicker, Bettler,
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