Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
alle drängten in die Stadt. Elisabeth stieg vom Pferd und fasste Johann am Arm. „Und wenn sie uns doch kontrollieren? Wir haben keine Papiere.“
„Überlass das mir. Aber erst stärken wir uns.“
Es war fast dunkel, die einzelnen Hütten und Stände der Händler unweit der Brücke wurden von Fackeln erhellt. Johann und Elisabeth kauften sich Brot, Wurst und heißen, gewürzten Wein und setzten sich auf eine niedrige Steinmauer. Johann aß mit Appetit, Elisabeth trank nur etwas Wein, aber das tat ihr gut. Langsam fühlte sie sich wieder besser – die Sonne war untergegangen.
Ist das die Hölle?, fragte sie sich. Nie mehr die Sonne zu sehen, ihre wärmende Kraft zu fühlen –
„Bist du fertig?“
Elisabeth schrak aus ihren Gedanken hoch. Johann war bereits aufgestanden und blickte sie an.
Sie trank den letzten Schluck Wein und stand ebenfalls auf. „Ja, wir können los.“
„Du hast nichts gegessen, du musst –“
„Ich weiß. Wenn wir in der Stadt sind und eine Unterkunft haben, werde ich dem Wirt die Speis leer essen. Versprochen.“
„Ich werd dich daran erinnern.“ Johann lächelte kurz, wurde aber gleich wieder ernst. Er zog Elisabeth die Kutte ins Gesicht und fasste die Zügel des Pferdes.
„Gehen wir.“
Johann hatte die Wachposten am Vorzwinger jenseits der Brücke die ganze Zeit über beobachtet. Eben hatte eine Ablöse stattgefunden, und der neue Posten passte zu Johanns Plan.
„Papiere?“ Der Soldat streckte ihnen die Hand entgegen, sein Gesicht war aufgedunsen und saß auf einem viel zu fetten Körper.
„Wir haben keine“, antwortet Johann gelassen. „Wurden überfallen, sie haben uns alles geraubt.“
„Ohne Papiere kein Einlass. Wendet euch an euer Kloster.“
„Wir würden für eine Nacht gerne in der Stadt übernachten. Seht Ihr keine Möglichkeit, dass Ihr zwei weit gereiste Pilger durchlasst, Bruder?“ Johann ließ beiläufig eine Münze über seine Fingerknöchel spielen und dann wieder verschwinden.
Der Soldat blickte sich um, sah, dass seine Kameraden ihn nicht beachteten, und machte dann mit den Fingern eine unauffällige Geste.
Fünf.
Johann nickte und ließ, geschickt wie ein Taschenspieler, fünf Münzen in die Hand des Mannes gleiten.
„Das reicht“, sagte der Soldat und trat etwas zu Seite.
„Vergelt’s Gott.“ Johann nahm die Zügel des Pferdes fester in die Hand und ging an dem Soldaten vorbei.
Der packte ihn plötzlich am Arm. „Das reicht – bis morgen. Wenn ihr länger bleibt, komm wieder.“ Der Soldat grinste und entblößte schwarze Zahnstummel. Sein fauliger Atem warf Johann fast um.
„Bis morgen. So soll es sein.“ Johann nickte.
Der Soldat ließ ihn los und trat zurück.
Nachdem sie durch den Vorzwinger und den Mautturm durchgegangen waren, öffnete sich vor ihnen eine breite Straße, gesäumt von einstöckigen Häusern teils aus Stein, teils aus Holz. Die Straße zog sich weiter nach vorn über einen Platz und endete ein gutes Stück dahinter, soweit Johann das bei der spärlichen Straßenbeleuchtung erkennen konnte.
Sonderlich groß war diese Stadt nicht, stellte Elisabeth erleichtert fest, dass bedeutete, dass sie bald eine Unterkunft finden würden.
Johann fragte einen Bürger nach dem nächsten Hospiz, dann trotteten er und Elisabeth müde durch die engen Gassen. Schließlich sahen sie das heruntergekommene Gebäude mit dem Zeichen der Pilgerhospize, erleichtert legten sie die letzten Schritte zurück und klopften an die Tür.
Es war ein ärmliches Hospiz, aber es gab heiße Suppe, Brot und Wein. Nach dem Essen führte man Johann und Elisabeth in eine kleine unbeheizte Schlafzelle, wo sie auf dem strohgedeckten, frostigen Boden sofort einschliefen.
XXV
„Einen Schildermacher sucht Ihr?“ Der Posamentierer hielt auf seinem Webstuhl inne. Sein kleiner Laden platzte aus allen Nähten, überall stapelten sich Seide, Kamelgarn, Wolle und Zwirn, von verschiedener Farbe und Güte.
„Oder jemanden, der Urkunden ausstellt.“ Johann hatte bereits mehrere Leute vergebens nach seinem ehemaligen Kameraden gefragt und wurde zusehends ungeduldiger.
„Für Urkunden wendet Euch ans Rathaus.“ Der Mann machte eine kurze Pause. „Wartet – es gibt schon einen, der malt manchmal Schilder und vielerlei andere Dinge.“
„Wo kann ich den finden?“
„Meine Empfehlung kann ich ihm aber nicht aussprechen.“
„Das müsst Ihr auch nicht. Also – wo?“
„Geht diese Gasse entlang bis zum Dominikanerkloster. Dort hat ein
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