Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
Kammmacher seinen Laden, und daneben verfällt ein ebenerdiges Haus. Probiert es dort, aber ich hab euch gewarnt.“ Der Posamentierer wandte sich von ihnen ab und setzte seinen Webstuhl wieder in Gang.
Wenig später standen sie vor dem Haus des Fälschers. Elisabeth war das Gebäude nicht geheuer, es war schiefwinklig und verfallen und machte schon von weitem den Eindruck, dass man es besser meiden sollte.
Johann klopfte an die Tür.
Nichts rührte sich.
Johann klopfte wieder, dann drückte er gegen die Tür, die sofort aufsprang. Ohne zu zögern betrat er das Haus, Elisabeth folgte ihm.
„Wo mag er sein?“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht haben sie ihn bei irgendeinem krummen Geschäft geschnappt, würd mich nicht wundern.“ Johann ließ sich auf die schmutzige Ofenbank fallen, Elisabeth setzte sich neben ihn und sah sich um.
Wie alles im Haus war auch die Stube verbraucht und desolat. Sogar das Kruzifix im Herrgottswinkel war schmutzig, der Corpus widernatürlich verkrümmt. Elisabeth machte ein schnelles Kreuzzeichen.
„Meinst du –“
Plötzlich flog die Tür auf und ein Mann kam herein. Er blieb wie angewurzelt stehen, starrte Johann und Elisabeth an.
„Was wollt ihr Strolche in meinem Haus? Schert euch hinaus!“ Elisabeth war der Mann auf Anhieb unsympathisch, er war ausgemergelt, hatte unstete Augen und strähnige Haare.
Johann stand auf. „Immer langsam, Schorsch.“ Der Mann beäugte ihn genauer, dann stahl sich ein Lächeln in sein Gesicht, das die Augen nicht erreichte. „Johann List? Dass ich dich noch mal sehe …“ „Ist lange her“, sagte Johann knapp.
„Und dann gleich als Pilger. Hast den Herrn gefunden?“, fuhr der Fälscher mit seiner hohen, singenden Stimme fort.
„Noch nicht, aber ich bin auf dem Weg. Dazu brauch ich Papiere und einen Gesundheitspass. Für mich und meinen – Freund.“ Johann deutete auf Elisabeth, die die Kapuze noch tiefer ins Gesicht zog.
„Freund, so so …“ Schorsch blickte Elisabeth an, deren Gesicht unter der Pilgerkapuze nicht zu erkennen war. Er grinste, dann wandte er sich wieder an Johann. „Wo wollen wir denn hin?“
„Geht dich nichts an.“
Schorsch zuckte mit den Schultern. „Ist mir auch egal. Ich nehm an, du wirst mir auch nicht erzählen, was du seit –“, er machte eine Pause, „seit damals gemacht hast?“
Johann antwortete nicht, sondern starrte den Fälscher weiter angespannt an.
Der grinste wieder. „Hab ich mir gedacht. Aber das wird dich einiges kosten, vor allem damit ich den Mund halte. Ich denke, dass sich einige Leute sehr dafür interessieren würden, dass du wieder im Lande bist.“
Johann packte den Mann am Mantelkragen. „Übertreib’s nicht, sonst –“
„Vor allem von Pranckh“, erwiderte Schorsch ungerührt.
Johann ließ ihn los, alles wurde dunkel um ihn.
Die Gestalt, weit draußen auf der nächtlichen Ebene, die Hände drohend gegen ihn und den Preußen gereckt, die Stimme voller Hass: „Ich werde dich kriegen, List. Dich und deine ganze verdammte Brut!“
„Johann?“
Elisabeths Stimme riss ihn wieder zurück in die Gegenwart. Er sah, dass der Fälscher sie amüsiert anblickte.
„Dein Freund hat aber ein feines Stimmchen.“
Elisabeth zog die Kutte aus dem Gesicht. „Es hat eh keinen Sinn mehr. Wenn er uns Papiere macht, dann müssen sie für einen Mann und eine Frau sein.“
Schorsch nickte. „Hat ja was im Kopf, deine kleine Dirn. Blut allerdings nicht, so blass wie sie ist.“
Johann fixierte den Fälscher. „Du weißt, wo von Pranckh ist?“
„In Wien. Hat sich fein niedergelassen dort, hab ich gehört.“ Schorsch rieb sich über sein stoppeliges Kinn. „Wie übrigens dein alter Spießgefährte auch, der Preuße. Wohnt in einem kleinen Haus in der Schulter Gasse, soweit ich mich erinnere, direkt am Judenplatz. Wenn das nichts über ihn aussagt.“ Er stieß ein hässliches Lachen hervor, dann ging er zum Tisch, der unter dem Herrgottswinkel stand, setzte sich und schenkte sich aus einer Flasche ein. Sofort stank die Stube nach billigem Schnaps.
Der Preuße und von Pranckh in Wien?
Johann konnte es kaum glauben. Aber wenn es wahr wäre, dann –
Er bemerkte, dass Elisabeth ihn ansah. Wusste, dass er von Pranckh vergessen musste. Elisabeth war wichtiger, die Flucht nach Siebenbürgen war wichtiger, alles war wichtiger.
Nichts war wichtiger.
Diese Rechnung gilt es noch zu begleichen, koste es, was es wolle.
„Interessiert mich nicht mehr, Schorsch“, sagte Johann
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