Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
Vollmonds.
Das Blut seiner Offiziere.
Die schamvolle Flucht.
Als aktiven Soldaten hatte er List wegen seines Mutes und seines Kameradschaftsgeistes geschätzt, umso überraschter war er gewesen, dass sich eben dieser Mann mit ein paar anderen Verrätern gegen ihn und seine Offiziere gewendet hatte. Mit den fadenscheinigsten Argumenten, von wegen das Wohl der Zivilbevölkerung.
Lächerlich!
Befehle waren dazu da ausgeführt, nicht hinterfragt zu werden, und wenn von Pranckh befahl, ein Dorf, ein Tal oder ein ganzes Land auszurotten, dann hatten seine Männer den Befehl zu befolgen. Wo käme man denn hin, wenn jeder agierte, wie ihm beliebte oder Recht und Unrecht interpretierte? So etwas war unsoldatisch und gehörte im Keim erstickt.
Wenn es sich also tatsächlich um den richtigen Johann List handeln sollte, dann hatte ihm das Schicksal eine wahrhaft glückliche Wendung beschert.
„Was ich Euch noch nicht gefragt habe, Pater“, begann von Pranckh, nachdem er seinen Weinbecher leer getrunken hatte, „warum sind Euch die beiden aus dem Dorf so wichtig? Was für einen Schaden können schon zwei Bauern anrichten?“
„Es geht nicht um die beiden, es geht darum, was sich in ihrem Dorf zugetragen hat. Schon seit langem verfolge ich die Absonderheiten, die sich dort zutragen. Und seit langem stelle ich mir die gleiche Frage: Warum gibt es in Gottes Namen Krankheiten, Seuchen und vielerlei Bürden?“
Er sah von Pranckh an, der zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Weil Er uns prüfen will“, fuhr Bernardus fort. „Er will wissen, was wir auszuhalten imstande sind. Es geht nicht um die Gebote, diese Nichtigkeiten sind nur dazu da, den Pöbel im Zaum zu halten. Die wahren Prüfungen sind die des Leidens, das Ertragenkönnen, um sich Seiner würdig zu erweisen.“
„Leiden wie die Pest?“
„Vergesst doch die Pest! Nach wenigen Tagen seid Ihr tot, worin soll da die Prüfung bestehen? Nein, ich spreche von Leiden, die Euer tägliches Leben begleiten, von früh bis spät, tagein tagaus. Leiden, die Ihr an Eure Nachkommen weitergebt in der Gewissheit, dass sie es nicht besser haben werden als Ihr selbst. Und trotzdem jeden Tag zu meistern, darin liegt die wahre Prüfung.“
Bernardus schenkte sich und von Pranckh noch Muskateller nach.
„Um jetzt nochmals auf die beiden zu sprechen zu kommen?“
„Das Dorf war mit einer Krankheit gesegnet, wenn Ihr so wollt, einer Krankheit, die einem ein Leben, wie wir es kennen, so gut wie unmöglich macht. Und trotzdem lebten diese Menschen, ertrugen die Bürde jeden Tag, weil sie, wie ich glaube, näher an Gott waren als wir uns das vorstellen können.“
Er trank den Wein in einem Schluck hinunter. „Welchen anderen Grund hätten sie sonst, sich nicht das Leben zu nehmen?“
Von Pranckh überlegte kurz. „Weil es eine Todsünde ist?“
„Todsünde?“ Bernardus’ aufgedunsenes Gesicht streckte sich von Pranckh entgegen, seine geröteten Augen blitzten höhnisch. „Die Todsünden haben wir wie die Gebote doch nur geschaffen, um das menschliche Vieh im Zaum zu halten.“ Bernardus war aufgesprungen und breitete seine Arme aus. „Wir sagen ihnen alles. Was sie zu tun und zu lassen haben, was gut und was böse ist, wem sie zu trauen und wen sie zu verraten haben. Gerade dass wir ihnen nicht sagen, wann sie zu scheißen haben!“ Er lachte dröhnend auf.
Von Pranckh nickte nur, er war nicht in Streitlaune. Er war satt, der Wein war exzellent, und dieser fettleibige, offenbar leicht verrückte Kirchenknecht war bereit, für die Flüchtigen eine solche Unsumme zu berappen, dass er ihm noch Stunden zuhören würde, wenn es sein müsste.
Bernardus beruhigte sich und setzte sich wieder an den Tisch. „Wäre Bruder von Freising seinem Auftrag gefolgt, hätten wir die beiden Bauersleut schon hier und könnten sie über die Siechenden befragen.“ Er wischte sich die fettigen Finger an seiner Kutte ab und ergriff von Pranckhs Arm. „Aber Dank Euch werden wir diesen Fehler ausmerzen können.“
Von Pranckh schob den Holzteller von sich weg und lächelte Bernardus zuversichtlich an.
Diesen und noch weitere, du fettes Schwein.
XLVIII
Wien, im Frühjahr des Jahres 1704.
Wir haben endlich die Möglichkeit, die Stadt mit einem Boot zu verlassen, und auf der Donau entlang Richtung Siebenbürgen zu reisen. Auch wenn der Besitzer des Boots, Graf von Binden, einen sinistren Eindruck auf mich macht, so stehen wir unendlich in seiner Schuld. Sicherlich ist diese Art zu
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