Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
der beiden Knienden hatte auch nur annähernd Ähnlichkeit mit Johann oder Elisabeth. Der Mann war dicklich und klein, die ausgemergelte Frau hatte feuerrotes Haar. Der Preuße machte einen Schritt auf die beiden zu.
„Wie ist dein Name?“, fragte er den Mann. Dieser blickte ihn mitleidheischend an, brachte aber keinen Ton hervor.
Eine der Wachen zückte einen Dolch. „Dein Name, du Hund, sonst –“
Der Preuße gebot ihm mit einer Handbewegung Einhalt, dann drückte er dem Knienden die Wangen zusammen, sodass dieser den Mund öffnete. Ein Loch klaffte, wo sonst die Zunge war, nahe dem Schlund sah er den abgeschnittenen Ansatz.
„Mir ist nicht bekannt, dass dem Gesuchten die Zunge fehlen soll?“ Der Preuße blickte in die Runde seiner Männer, betretenes Schweigen machte sich breit. Er sah zu der Frau. „Und die ist mindestens vierzig Jahre alt. Hat einer von euch überhaupt die Steckbriefe angeschaut?“
Keine Antwort.
„Auf mit euch beiden“, befahl der Preuße. „Und auf Wiederschaun.“
Der Mann und die Frau liefen weg, der Preuße sah seine Männer nochmals scharf an. „Mit dieser Aktion habt ihr euch für den Dienst bei der Stadtguardia qualifiziert, aber zur Rumorwache gehört mehr. Verstanden?“
Ein kleinlautes „Jawohl Herr Leutnant“ reichte dem Preußen als Antwort. Denn eigentlich hätte er seine Leute vor lauter Erleichterung am liebsten auf ein Bier eingeladen. So aber machte er ein betont finsteres Gesicht und folgte seinen Männern zum nächsten Kontrollposten.
LII
Der Tag verstrich, aber die Gesuchten waren immer noch nicht gefunden. Von Pranckh schritt wütend am Fuß der Gefängnistreppe auf und ab, blickte ungeduldig auf seine silberne Taschenuhr.
Dann hastete der Leutnant der Stadtguardia um die Ecke. Von Pranckh steckte die Uhr ein. „Wenn bei Euch alles so langsam geht, wundert mich nicht, dass die Erfolge auf sich warten lassen, Herr Leutnant.“
„Verzeiht, aber meine Männer tun, was sie können“, japste Schickardt außer Atem.
„Wenn dem so ist, muss man die Männer vielleicht noch mehr anspornen.“ Von Pranckh umkreiste den atemlosen Leutnant wie ein Raubtier seine Beute. „Oder auf andere Mittel zurückgreifen.“ Er blieb stehen. „Ratten gibt es ja bekanntlich überall, auch unter uns wohl gesitteten Bürgern, hab ich recht?“
Der Leutnant nickte, verstand aber nicht, worauf von Pranckh hinauswollte.
Von Pranckh beugte sich näher zu ihm. „Lasst die Ratten tiefer wühlen, versteht Ihr, was ich meine?“
Der Leutnant nickte erneut.
„Es freut mich, dass wir uns verstehen. Und, Herr Leutnant –“
„Ja?“
„Dressiert Eure Ratten gut, sonst könnt Ihr Euch gleich zu den Bettlern im Kärntnertor stellen.“
Der Leutnant verzog sich im Laufschritt.
LIII
Der Morgen war noch fern, die Straßenzüge lagen ruhig im Mondlicht.
Vier Gestalten gingen schweigend und zügig zum Rotenturmtor, das zur Anlegestelle an der Donau führte. Elisabeth fröstelte, Johann zog sie enger an sich.
Der Preuße blickte sich fortwährend um.
„Heinz, bleib ruhig.“ Josefa fasste ihren Mann am Arm.
„Ich bin ruhig, wenn das Boot abgelegt hat.“
„Wir haben bis jetzt keine Stadtguardia gesehen, dann wird auf den letzten Schritten auch nichts passieren.“
„Dein Wort in Gottes Ohr, Weib …“
Aber Josefa schien recht zu behalten, alles war still, und schon bald erhob sich die nördliche Stadtmauer vor ihnen. Dicht an der Mauer entlang eilten die vier Richtung Mauttor.
„Und jetzt?“, fragte Johann den Preußen.
„Wenn alles klappt, müsste –“
Plötzlich trat eine Gestalt vor ihnen aus der Dunkelheit. Sie erstarrten, blitzschnell fuhr Johanns Hand zum Messer.
Dann erkannten sie den gebeugten Rücken, hörten das wohlbekannte Räuspern.
„Jonathan. Musst du uns so erschrecken?“, sagte der Preuße, aber er klang erleichtert.
Der Alte sagte nichts und hieß sie mit einer Kopfbewegung, ihm zu folgen. Johann steckte das Messer wieder ein.
„Wartet. Ich werd mich hier von euch verabschieden“, sagte Josefa. Sie ging zu Elisabeth und gab ihr einen Kuss. „Pass auf dich auf, und lass ihm nicht alles durchgehen. Die Mannsbilder brauchen das.“
„Dank dir, Josefa. Ich wünsch euch auch nur das Beste“, erwiderte Elisabeth.
Dann umarmte Josefa Johann und drückte ihm einen dicken Kuss auf den Mund. „Und dass mir keine Beschwerden über dich zu Ohren kommen.“ Sie zwinkerte ihm zu.
„Zu Befehl“, entgegnete Johann.
„Jetzt geh schon,
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