Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
rauskriegen.«
»Apropos Polizei«, sagte van Harm und nahm sein Handy vom Schreibtisch.
»Wat? Sie haben noch jar nich?« Peggy war aufrichtig empört.
Kai tippte die erste Eins des Notrufs ein, dann die zweite … Es war dieses Tippen, begleitet von einem leisen Piepton, das wie ein Signal auf Bruno wirkte. Ein Signal, das ihn aus seiner Versunkenheit riss, und das ihn in ganz und gar unangemessener Lautstärke, so als hingen Leben und Tod davon ab, ausrufen ließ: »Nein! Keine Polizei!«
Peggy fuhr zusammen. Kai wäre beinahe das Telefon aus der Hand gefallen.
»’tschuldigung«, sagte Bruno mit gedrosseltem Volumen, »aber ma ehrlich, Kai, dit hier könnte unsre Schangse sein. Also deine, natürlich.«
Kai sah ihn fragend an. Er wusste nicht, was sein Freund meinte.
»Mensch, unsa Jespräch von heute Morgen«, sagte Bruno, »dit zweete Buch. Du musst dir nüscht mehr aus die Finger saugen. Hier issit.« Bruno zeigte auf die beschmierte Wand.
»O nein …«, sagte Kai, und es klang sehr entschieden. Aber Bruno ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Dit hier is wie ein Anfang. Die erste Seite, vastehste? Wir müssen einfach nur abwarten und richtig reagieren, und wenn wa Glück haben, blättert sich dit janze Buch vor uns auf. Von alleene. Wir müssen die Jeschichte dann nur noch uffheben, sozusagen.« Er machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort. »Kann natürlich ooch sein, dass es nich klappt. Dass die janze Sache ein Blindgänger is oder dit hier«, er zeigte wieder auf die Wand, »nich mehr wie ein schlechter Scherz. Aber wat soll’s: Dann hätten wa ooch nüscht verloren. Denn machste eben wieder mit Plan B weiter und saugst dir für dein Buch wat aus die Finger.«
»O nein, Bruno, vergiss es!«, wiederholte Kai van Harm mit Nachdruck. »Das hier ist Berlin. Eine richtige Stadt, mit Millionen von Menschen. Nicht mit ein paar hundert Hanseln wie in Altwassmuth, wo jeder jeden kennt. Das hier ist ein paar Nummern zu groß für uns.«
»In Altwassmuth letztet Jahr sind wa reinjerutscht. Wir hatten keene Wahl, wir mussten mitmachen. Bei dem hier, ham wa aber die Wahl, und deshalb ham wa die Dinge besser unter Kontrolle. Wir kieken einfach mal, ob wat jeht und warten ansonsten ab. Und wenn’s wirklich jefährlich wird, können wa immer noch die Polizei rufen.«
»Die sich dann bedanken wird«, sagte Kai sarkastisch und legte sein Handy vorerst beiseite. Er merkte, dass sich Bruno in den Gedanken festgebissen hatte und im Moment nicht von ihm ablassen würde.
»Wir brauchen einen Plan«, sagte Bruno, als wäre die Sache abgemacht und nahm ein Blatt Papier von Kais Schreibtisch samt einem Bleistift.
»Au ja«, sagte Peggy, »ein Plan«, und sie rieb sich vor Begeisterung die Hände, so als bereiteten sie hier ein Räuber-und-Gendarm-Spiel für den Kindergeburtstag vor.
Kai war enttäuscht. Er hatte gehofft, dass Peggy ihm helfen würde, Bruno zur Vernunft zu bringen. Stattdessen fragte sie aufgekratzt: »Will noch wer ein Bier? Ick geh mir eins holen.«
»Hier«, sagte Bruno und hob die Hand. »Und wär’n Sie so freundlich, mir Zahnputzzeug mitzubringen? Ick übernachte nämlich heute hier.« Er sah Kai an, der nur mit den Schultern zuckte.
»Aye, aye, Sir«, flötete Peggy, »bin gleich wieder da.«
»Na denn woll’n wa mal«, sagte Bruno und grinste zufrieden.
Die Idylle zerstören
Schön habt ihr’s hier.
Ist ja keine Selbstverständlichkeit mehr heutzutage. Geht ja überall nur alles bergab. Den Bach runter. Die Zeitungen sind voll davon. Aber euch geht’s gut. Das ist die Hauptsache. Alles schön hell, aber warmes Licht. Hohe Räume. Stuck sogar, wie ich sehe. Bepflanzter Balkon selbstverständlich, Blumen. Und Kräuter. Ihr kocht schließlich frisch. Rosmarin und Basilikum.
Schön ist es bei euch, harmonisch wie im IKEA -Katalog. Wie ihr so friedvoll beieinandersitzt. Die Gabeln nicht zu voll nehmt. Und sie zum Mund führt, statt den Mund zum Teller. Und aufmerksam miteinander redet zwischen den Bissen. Euch in die Augen seht dabei. Der Esstisch aus hellem Holz. Ein Strauß Tulpen in der Vase, schöner Farbakzent. Sehr geschmackvoll das.
Eine glückliche Familie, wie es scheint. Die Mutter, trotz ihrer vierzig, noch jugendlich. Zwei Kinder, wohlgeraten. Der Vater … Aber ach, wo ist er denn hin? Da fehlt ja einer, zum perfekten Glück. Sitzt allein in seinem Rattenloch. Neukölln, wo es stinkt.
Ihr könnt es nicht wissen, doch ich bin gekommen, um euch zu stören. Ich werde euch
Weitere Kostenlose Bücher