Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
mal zum Punkt. Wenn Sie neugierg sind, jehn Se einfach hoch und stelln sich als Freund von Herr van Harm vor.«
»Könnt ick natürlich machen, klar. Aber dit is taktisch nich unbedingt klug. Man sollte nich immer gleich ufftauchen, wie der Elch im Porzellanladen.«
»Dit kann ick allerdings nur unterschreiben«, sagte Peggy.
»Also?«
Sie zögerte einen Moment, dann zuckte sie mit den Schultern: »Na, ausnahmsweise.«
Durch ein schmales Tor im verschnörkelten, schmiedeeisernen Zaun betraten sie den Vorgarten. Praktischerweise waren in Abständen flache Steinplatten in die Erde eingelassen, sodass sie nicht zwischen die Blumen zu treten brauchten.
»Halten Sie mal«, Peggy gab Bruno ihr Smartphone, der es sich in die Hosentasche stopfte. Dann ging er in die Knie, federte leicht auf und ab, positionierte seine verschränkten Hände zur Räuberleiter am Baumstamm und suchte Blickkontakt zu Peggy. Die setzte einen Fuß auf Brunos Hände, legte ihre eigenen auf seine Schultern, und Bruno zählte. »Eine … zwei …drei …« Er stemmte Peggy so hoch er konnte. Gleichzeitig aus den Knien und aus dem Kreuz. Im selben Moment fuhr ihm ein greller Schmerz durch Letzteres, als habe ihm jemand eine lange Kanüle dort hineingejagt, und auch der Stich im Oberschenkel meldete sich zurück. Aber sie hatten es geschafft. Peggy hatte einen Ast zu fassen bekommen und zog sich nun langsam hoch.
Bruno schnaufte, aber nach einer Weile hatte er seinen Atem wieder unter Kontrolle.
»Wat sehen Sie?«, hauchte er in seiner unnachahmlichen Art, flüsternd zu schreien, nach oben ins Geäst. Peggy war in dem dicht belaubten Baum kaum zu erkennen.
»Da is ein Loch im Fenster.«
»Ein Loch?«
»Das Fenster is kaputt, gesplittert oder so.«
»Und weiter?«
»Zwei Polizisten, ein Mann und eine Frau. Der Mann steht an der Tür. Die Frau redet uff eine andere Frau ein, die an Herrn van Harm seine Schulter hängt und heult.«
»Dit is Constanze«, sagte Bruno, »die Gattin von Kai, janz patentet Mädel.«
»Die sieht aba noch ziemlich jut aus für ihr Alter.«
»Die is noch nich so alt. Anfang vierzig vielleicht.«
»Na, ick bitte Sie aber!«, sagte Peggy, und es ließ sich nicht genau sagen, was sie damit meinte.
»Und sonst«, hauchte Bruno nach oben.
»Die hört gar nich mehr uff zu reden«, sagte Peggy, »aber irgendwie hört ihr andererseits ooch keener richtich zu.«
»Könnse wat verstehn durch dit kaputte Fenster?«
»Nein«, flüsterte Peggy, nachdem sie versucht hatte zu lauschen.
»Herr van Harm seine Kinder sitzen auch noch am Tisch.«
»Dit sind Janne und Erik. Und wat machen die?«
»Nüscht, kucken halt wie Teenager und fummeln an ihren Handys rum.«
»Dit kenn’ wa ja.«
»Wow. Da liegt auch noch ’ne ziemliche Klamotte uffm Tisch.«
»Wat liegt da?«
»Ein Stein, ziemlich groß. Sie sollten nicht so schreien, Bruno.«
»Langsam jeht mir ein Licht auf«, sagte Bruno.
»’ne kaputte Vase seh ick auch noch. Und die Polizei sabbelt und sabbelt. Und Herr van Harm seine Frau flennt und flennt. Mann, wie im Fernsehen. Bei olle Derrick. Ah, und jetzt kommt ein bisschen Bewegung in die Sache. Herr van Harm ergreift das Wort.«
»O nein, bloß das nicht«, stieß Bruno hervor. Und schon hatte er sich vom Baum abgewandt und stürzte davon, ohne auf Peggys Protest zu reagieren. Er hatte Mühe, genau auf die Steinplatten zu treten. Peggy oben im Baum war ihm erst mal egal. Vielleicht kam sie von selber runter, ansonsten musste sie eben ein paar Minuten warten. Sie hatte immerhin einen Logenplatz für den Auftritt, den Bruno gleich hinlegen musste. Vor der Polizei und vor der versammelten van-Harm-Sippe. Damit Kai nicht aus lauter Angst in eine sinnlose Kooperationsbereitschaft verfiel, Sachen ausplauderte und damit ihr Projekt gefährdete.
Unten an der Haustür drückte er die Klingel und ließ sie gar nicht mehr wieder los. So lange, bis die Gegensprechanlage knackte. Kais Stimme klang unsicher, ja furchtsam: »Ja, bitte?«
Damit hatte Bruno im Grunde schon erreicht, was er wollte. Kai hatte das Gespräch mit der Polizei unterbrechen müssen, um nachzusehen, wer an der Tür war. Und ehe er den Faden wiederfand und sich möglicherweise doch noch verplappern konnte, war Bruno schon oben in der Wohnung und konnte die Dinge nach seinem Gusto regeln. Im Sinne ihres gemeinsamen Vorhabens.
»Bruno hier, ick komm jetzt hoch. Ick hab der Polizei wat zu erzählen?«
»Du?«
»Ja, icke. Frag nich weiter. Lass mich
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