Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
nichts sehen, denn die Sonne spiegelte sich in den Fensterscheiben. Immerhin war zu erkennen, dass der Glaser gekommen war und das kaputte Glas ausgetauscht hatte. Abends, wenn es draußen dunkel war und in der Wohnung hell, würde man wahrscheinlich alles klar und deutlich sehen.
»Aber dass ihr mir keen Schindluder mit Kamera vier treibt«, sagte Bruno. »Dit is wirklich wichtig: Frau van Harm darf unter keinen Umständen etwas merken. Dit würde Kai in Teufels Küche bringen, und wir wolln doch alle, dass seine Ehe wieder jekittet wird. Man muss ja ooch mal an die beiden Kinder denken. So janz ohne Vater, die armen Gören.«
»Noch’n Käffchen, Chef«, fragte Rocco und schaltete die Monitore ab. »Strom sparen«, sagte er. »Unser Gastgeber wird ’ne gepfefferte Rechnung kriegen nächsten Monat.«
»Können wa da nich ooch wat machen. Ick meine, Leitung anzapfen im Keller oder so wat?«
»Kommt Zeit, kommt Rat«, sagte Rocco und zwinkerte mit dem rechten Auge.
Und dann setzten sie sich in die Küche. In ihrer Mitte, auf dem Tisch, prasselte die Kaffeemaschine, so wie in Urzeiten das Feuer im heimatlichen Herd geprasselt haben mochte. Und während sie darauf warteten, dass der labende Trunk fertig braute, erzählte Rocco, was er und Ronny noch so alles getrieben hatten, vor allem in der sehr späten Nacht und in den allerfrühesten Morgenstunden. Nämlich: winzige GPS -Sender zu verbauen, deren Bewegungen in Kürze auf einem fünften Monitor in ihrer Schaltzentrale zu verfolgen wären. Ronny war gerade dabei, die entsprechenden Gerätschaften zu besorgen.
Den ersten GPS -Sender hatten sie an Constanzes Volvo befestigt, einen zweiten – weil Bruno das ausdrücklich so verlangt hatte – an Peggys rotem Corsa, und den dritten, weil Kai van Harm ja nun mal kein Auto besaß, hatten sie aus Verlegenheit einfach in den Kragenaufschlag seines groben, braunen Tweedjacketts eingearbeitet. Ein Jackett, das er fast jeden Tag trug, selbst an warmen Tagen, dann legte er es sich locker über die Schulter.
»Und du bist sicher, dass er nüscht merkt?«
»Der Stoff ist dick wie ’ne alte Pferdedecke«, sagte Rocco, »und riecht auch ein bisschen so.«
»Haste die Kleene heute schon gesehen, unsre Nachbarin Peggy?«, fragte Bruno.
»Ist halb acht zur Arbeit gefahren«, sagte Rocco. »Echt niedlich.«
»Auf die müssen wir ganz besonders achten«, sagte Bruno, und er wirkte so besorgt dabei, als ginge es um seine eigene Tochter, »die steckt tief mit drin, und sie ahnt nüscht davon!« Da war sie wieder, die nagende Angst, und Bruno spürte deutlich, dass sie allmählich in sein Allerheiligstes vordrang – sein Selbstbewusstsein, seine unerschütterliche Siegesgewissheit.
Grauburgunder
Von der Friedrichstraße fuhr Kai van Harm direkt in das österreichische Restaurant in Kreuzberg, wo er sich ein Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Gurken-Salat bestellte und einen halben Liter vom offenen Grauburgunder. Das brauchte er jetzt. Doch noch während er auf den Wein wartete, meldete sich das schlechte Gewissen. Und es sagte ihm, dass er sich solch ein opulentes Mahl eigentlich nicht leisten konnte, zumal an einem ordinären Werktag wie diesem. Dass seine Bestellung in keinem Verhältnis stand zu der Anzahl von Büchern, die er verkauft hatte. Das heißt, wenn er Frau Dr. Gruber glauben schenkte. Aber warum sollte er das nicht tun? Um sich von den lästigen Gedanken abzulenken, die erst der Wein vollständig vertreiben würde, holte Kai den Jutebeutel hervor, den ihm Frau Dr. Gruber vorhin beim Abschied überreicht hatte. Vorsichtig, als handele es sich um hochexplosives Material, spähte Kai zunächst nur in den Beutel hinein. Er zählte: Es waren exakt … zehn Bücher, drei eingeschweißte Hardcover, der Rest Taschenbücher.
Vielleicht konnte er die Bücher ja tatsächlich verkaufen und von dem Erlös das heutige Mittagessen bezahlen. Kam ganz darauf an, wie lange die Bücher schon auf dem Markt waren. Er hatte auch schon früher, als er im Kulturessort seiner Zeitung für die Literaturbesprechungen zuständig gewesen war, die Rezensionsexemplare verkauft. Das war ein recht gutes Zubrot gewesen. Allein damit hatte er mehr verdient als mancher freie Journalist, der ihnen regelmäßig zuarbeitete. Denn Kai hatte wirklich viele Rezensionsexemplare auf seinen Schreibtisch bekommen. Die Verlage waren ganz heiß darauf gewesen, ihre Bücher in die Redaktionen zu schaufeln, in der Hoffnung, sie würden besprochen werden. Kai
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