Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
mir jetzt im Nachhinein komisch vorkommen.«
»Zum Beispiel?«
»Na, seine Sonnenbrille, zum Beispiel.«
»Oha«, sagte Bruno. »Eine Sonnenbrille is ja im Prinzip ooch nur ’ne Art, sich zu maskieren.«
»Wobei man schon sagen muss, dass es durchaus ein sonniger Tag war, der Freitag. Sie können sich bestimmt noch daran erinnern.«
»Stümmt.«
»Es war mehr die Art der Sonnenbrille. Schon so retro, auf achtziger Jahre gemacht. Typ vollverspiegelte Pilotenbrille. Tropfenform und so weiter.«
»Ick kann mich jut erinnern«, sagte Bruno, »warn wa alle mächtig scharf druff annudunnemals in unsan Diskozeiten.«
»Ja, aber weder war es eine wirklich alte Brille, noch war es so ein neues Billigteil von der Tankstelle, das nur einen auf alt macht. Die Sonnenbrille, von der ich spreche, war retro-designed. Wobei die Betonung auf designed liegt.«
»…«
»Sind Sie noch dran?«, fragte Frau Kunze.
»Ja«, sagte Bruno, »alladings bin ick mir nich sicher, ob ick Ihre letzten Worte richtich begriffen habe.«
Frau Kunze kicherte am Ende der Leitung wie ein Schulmädchen: »Was ich damit sagen will, lieber Herr Zabel, so eine Sonnenbrille kostet hundertsiebzig bis zweihundert Euro am Ku’damm.«
»Puh«, machte Bruno, der alle Beträge über hundert Euro fast automatisch mit seinen eigenen Bezügen ins Verhältnis setzte, die er laut Sozialgesetzbuch II erhielt. »Bei uns uffm flachen Land laufen die Handwerker bestimmt nich mit sowat rum.«
»In Berlin auch nicht, da kann ich Sie beruhigen. Das müsste dann schon ein sehr eitler Fatzke sein«, bestätigte Frau Kunze. »Aber da ist noch mehr. Man kriegt ja eine gewisse Menschenkenntnis, wenn man an der Rezeption arbeitet, wenn auch nur als Aushilfe.«
»Na, nu bin ick aba jespannt.«
»Was ganz Banales«, sagte Frau Kunze abwiegelnd, »die Frisur.«
»Die Frisur?« Bruno Zabels Bio-Hosenboden glühte schon fast.
»Die Frisur im Zusammenspiel mit der Haarfarbe«, präzisierte sie ihre Angabe. »Ein sehr helles Blond, fast schlohweiß. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Farbe künstlich war. Denn der Mann war nicht alt. Man konnte trotz der Sonnenbrille sein irgendwie noch jugendliches Gesicht ahnen. Und er war auch nicht … wie heißt das gleich … Sie wissen doch, wenn jemand solche weißblonden Haare hat, dann fehlt ihm manchmal so ein …«
»Er war kein Albino, meinen Sie. So wie olle Heino, dieser sojenannte Sängerknabe.«
»Richtig. Kein Albino. Ich kam gerade nicht auf das Wort.«
Bruno nahm sich einen der Hotelbleistifte und machte sich auf dem dazu gehörenden Block Notizen. Das, was ihm Frau Kunze hier auftischte, war doch immerhin schon etwas, jedenfalls mehr, als er bisher gewusst hatte, nämlich gar nichts.
»Und seine Haare waren akkurat geschnitten. Hinten und an den Seiten messerscharf kurz. Oben eine Art Bürste. Ein absoluter Präzisionshaarschnitt. Eine Augenweide. Sie werden lachen, aber dieses Wort ist mir tatsächlich in den Sinn gekommen: Präzisionshaarschnitt. Eine Frisur, wie Deutsche in Hollywoodfilmen sie manchmal tragen.«
»Wat denn für Deutsche?«
»Na ja, die Bösen. Die von früher. Eine Frisur, wie sie auf keinen Fall irgendein Berliner Handwerker tragen würde, geschweige denn einer aus dem Brandenburger Umland. Zumal vielen von denen wohl auch die entsprechenden Haare dafür fehlen würden. Die scheren sich höchstens ’ne Glatze.«
»Fräulein!«, hörte Bruno eine zweite leisere, weibliche Stimme im Hörer.
»Einen Moment noch«, sagte Frau Kunze. Sie schien zur Seite zu sprechen.
»Ich stehe hier schon fünf Minuten und warte«, sagte die leisere Stimme. »Wir haben Karten für die Veranstaltung heute Abend und eine Zimmerreservierung!«
»Für welche Veranstaltung, bitte?«
»Zu Carmen Nebel. Ein bunter Strauß der Volksmusik«, sagte die Stimme.
»Ein schwarzer , meinen Sie. Einen kleinen Moment noch: Ich bin gleich für Sie da«, sagte Frau Kunze zuckersüß, und dann wieder direkt in den Hörer: »Ich muss jetzt Schluss machen, Herr Zabel. Nur eines noch: Er hatte auch eine super Figur. Keinen Waschbärenbauch, wie die Handwerker, die ich so kenne. Vom Feierabendbierchen und vom Grillen. Und auch die Schultern … also ziemlich athletisch, soweit man das erkennen konnte unter dem schwarzen Overall. Überhaupt war er eigentlich ziemlich gutaussehend, wenn ich es mir jetzt recht überlege. Na ja, wir sehen uns sicherlich noch mal. Sind ja noch ein paar Tage unser Gast. Einen schönen Aufenthalt
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