Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
der nächste Blitz ganz in der Nähe ein. Doch Bruno schrie nur: »Halleluja«, wuchtete sich aus dem Sitz und war auch schon im Regen verschwunden.
Peggy klappte den Beifahrersitz nach vorn, und als dann endlich auch Kai ausgestiegen war, fiel ihm als Erstes ein angestrahltes Schild auf, das über der Eingangstür eines Wintergartens angebracht war, in dem ein warmes Licht leuchte. Eine Oase der Behaglichkiet inmitten des von der Sintflut heimgesuchten südlichen Brandenburg:
Landgasthaus Fritz Petereit
Peggy hatte tatsächlich die Geistesgegenwart besessen, die Notbremsung auf dem Parkplatz einer Gaststätte hinzulegen.
Gutes Mädchen, dachte Kai und sah, dass sich Bruno schon im Inneren der Glasveranda befand, von wo er ihnen mit einer Speisekarte zuwinkte.
Die wenigen Meter vom Corsa bis zum Eingang des Landgasthauses genügten, dass sie bis auf die Haut nass wurden. Trotzdem saßen sie wenig später alle drei mit lächelnden Gesichtern um die Kerze herum, die die Kellnerin auf ihrem Tisch angezündet hatte, und lasen in den ledergebundenen Speisekarten. Die Stimmung war fast ein bisschen weihnachtlich. Auf der Karte standen sogar Gänsekeule und Entenbraten mit Rotkraut und Thüringer Klößen.
»Aber eines musst auch du heute zugeben, Bruno«, sagte Kai, während seine Augen die Karte nach etwas Leichtem absuchten, nach etwas, das ihn nicht unmittelbar nach dem Essen in einen tonnenschweren Mittagsschlaf stürzen würde, »der Wetterbericht hat uns ausnahmsweise mal nicht belogen, oder?«
»Da irrste dich aber jewaltig, mein Freund«, sagte Bruno, »die ham heute nur aus Versehen mal die Wahrheit jesagt, wennde verstehst, wat ick meine. Die sind nämlich selbst zum ordentlichen Lügen zu blöd.«
Bruno bestellte eine halbe Ente mit Rotkohl und ein Bier, Peggy eine Soljanka und eine Cola, und für Kai, der sich nicht entscheiden konnte, wählten sie gemeinsam ein Würzfleisch aus und eine Weißweinschorle. Dann gingen sie, einer nach dem anderen, auf die Gasthaus-Toilette, um sich mit dicken Packen Papierhandtüchern sowie dem elektrischen Handfön, so gut es ging, abzutrocknen.
»Constanze.« Es war Peggy, die den verlorenen Faden von vorhin wieder aufnahm, nachdem sie schließlich wieder am Tisch saßen. »Wat ist denn nun mit Herr van Harm seine Frau?«
»Ja, was ist mit Constanze?« Kai merkte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann. Er ermahnte sich zwar innerlich zur Ruhe, aber es sollte nicht helfen.
»Oh, verdammt«, sagte Bruno und pfriemelte sein Handy aus der Pfeilschlitztasche. Es war feucht geworden vom kalten Regen. Aus seiner Hosentasche förderte er einen abgekauten Bleistift hervor und legte ihn neben seine Papierserviette.
»Mensch, Bruno, geht’s Constanze gut? Ist ihr was passiert? Was ist mit den Kindern?«
»Herr Zabel!«, insistierte Peggy.
Aber Bruno antwortete nicht, sondern navigierte stattdessen durch sein Steinzeit-Handymenü. Immer wenn er sich vertippte, kam ein leiser Fluch über seine Lippen. Und er vertippte sich oft.
»Bruno, jetzt antworte mir, verdammt noch mal!«
»Ein Bier, eine Cola und eine Weißweinschorle, herb«, sagte die Kellnerin und stellte die Getränke auf den Tisch. Bruno ließ kurz von seinem Handy ab, trank mit einem gewaltigen Schluck sein halbes Bier aus, dann tippte er weiter und vergaß auch nicht zu fluchen.
Nach fünf Minuten hatte er es endlich: Er drückte die grüne Taste mit dem Hörersymbol und hielt sich das Handy ans Ohr. Kai hörte, wie sich eine männliche Stimme am anderen Ende meldete.
»Wat Neuet?«, sagte Bruno, ohne sich mit einer Einleitung aufzuhalten.
Auf der anderen Seite wurde Brunos Frage offenbar beantwortet. Ruhig und getragen kam Kai die Stimme vor, die die Situation zu erklären schien. Und auch Bruno wirkte ruhig, verzog keine Miene und gab auch keine Antwort. Lediglich ein paar unleserliche Wörter schrieb er auf die Papierserviette. Irgendwann sagte er: »Bleib am Ball«, und legte auf.
»Wer war das?« Kai van Harm war jetzt so nervös, dass er zum Weinglas greifen und einen Schluck trinken musste. Seine rechte Hand zitterte dabei, und er sah, dass auch Peggy dies nicht entgangen war.
»Das war Robert«, sagte Bruno, »der ja, wie ihr wisst, die Stellung hält in unsrer kleinen Schaltzentrale.«
»Und?«
»Ick will dir keine Hoffnungen machen, Kai, und ick hätte das Ganze auch lieber bis nach dem Essen verschoben, musst du wissen. Denn es kann sein, dass dem einen oder anderen auf den Appetit
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