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Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman

Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman

Titel: Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Röschen-Verlag
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Schüler noch halbe Kinder.“
    Warum mussten Pädagogen immer so merkwürdig reden? Bohlan fühlte sich in die Tage zurückversetzt, als er Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre das eine oder andere Scharmützel mit dem damaligen Leiter seiner Schule austragen musste. Bohlan war damals Schulsprecher und engagierter Gegner des Baus der Startbahn 18 West am Frankfurter Flughafen. Als er zur Beteiligung an einer Demo aufgerufen hatte, ließ der Direktor kurzerhand sämtliche Türen der Schule verriegeln und bestellte ihn in sein Zimmer. Dort redete er auf ihn ein wie auf einen kleinen Jungen, den es vor dem Unbill der Welt zu schützen galt. Dabei geschah in Bohlans Augen alles Unheil der Welt gerade draußen im Stadtwald.
    „Ich habe Leas Tutor bereits informiert. Der gesamte Leistungskurs ist noch in der Schule und steht zu Ihrer Verfügung.“
    „Danke“, sagte Bohlan kurz. „Können Sie etwas zu Lea Schuster sagen?“
    „Ich bin erst ein halbes Jahr an der Schule“, sagte von Lichtenhagen. „Soweit ich das mitbekommen habe, ist, beziehungsweise war, Lea Schuster eine sehr engagierte und gute Schülerin. Sie arbeitete maßgebend an der Schülerzeitung mit und war auch in der Theater-AG. Aber nun wollen wir den Leistungskurs nicht länger warten lassen.“ Ruckartig stand sie auf. Bohlan, der eigentlich noch einige Dinge im Vorfeld klären wollte, erhob sich ebenfalls.
    „Sie sind sicher noch einige Zeit vor Ort?“
    „Natürlich, bis ich meinen Arbeitsplatz verlasse, wird es sechs Uhr. Sie glauben ja gar nicht, was eine Schulleiterin alles zu erledigen hat“, antwortete von Lichtenhagen, ohne sich umzudrehen.
    Es herrschte Totenstille, als die Kommissare den Klassenraum des Leistungskurses Deutsch betraten. Zwei der Polizisten kannte Natascha bereits. Es waren der Mann mit der Vollglatze und die hübsche Frau mit den dunklen, langen Haaren, die gestern Abend bei den Schusters gewesen waren. Der Kommissar begann zu sprechen, doch sie hörte nicht hin. Sie wusste längst, dass Lea tot war. Es war, als zöge sich der Boden unter ihren Füßen zurück, als öffne sich ein großes schwarzes Loch, das sie aufsaugen wollte. Was um alles in der Welt war mit Lea passiert? Warum hatte man sie umgebracht? Was hatte sie in den vergangenen Wochen erlebt oder erfahren, dass sie dafür sterben musste? Immer fester setzte sich dieser Gedanke in Nataschas Kopf fest. Natürlich gab es viele Gründe für einen Mord und manche Morde geschahen aus zufälligen Motiven. Es gab genug Irre, die in der Welt herumliefen. Kranke Köpfe, die über andere herfielen. Vielleicht war Lea einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen? Vielleicht war irgendein dummer Zufall für ihren Tod verantwortlich? Doch daran konnte Natascha nicht glauben. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es einen Grund für diesen Mord gab. Sie musste ihn herausfinden.
    Nachdem alle Schüler vernommen worden waren, stand Bohlan versonnen am Fenster und sah den Großteil der Schüler den Weg in Richtung Weißer Stein laufen. Einige blieben vor dem Gebäude stehen, unterhielten sich, rauchten Zigaretten oder saßen einfach schweigend auf einer Steinmauer. Soweit Bohlan es überblicken konnte, hatte sich bislang keiner der Schüler in irgendeiner Form auffällig oder merkwürdig verhalten. Er war gespannt auf die Berichte seiner Kollegen.
    „Eigentlich sollte am Montag eine Klausur geschrieben werden, die habe ich abgesagt.“ Bohlan wandte sich um. Andreas Fischer stand direkt hinter ihm, die Arme vor dem Körper verschränkt, das Gesicht grau und versteinert. Die Augen lagen in tiefen Höhlen, als habe er nächtelang nicht geschlafen. Fischer war der Deutschlehrer des vernommenen Leistungskurses, zugleich Leiter der Theater-AG und Vertrauenslehrer. Bohlan musterte ihn eine Weile lang.
    „Wollen wir einen Kaffee trinken?“, fragte er.
    Fischer zog die hängenden Schultern kurz nach oben.
    „Gerne. Am Ende der Straße ist ein Eis-Café.“
    Natascha Weller saß im Schatten einen Baumes auf dem Geländer, das den Schulhof umschloss, und blickte nachdenklich auf die gegenüberliegende Josephskirche. Ab und an sah sie zur Eingangstür. Doch der, auf den sie wartete, kam nicht. Weller überlegte, ob es Sinn machte, noch länger herumzusitzen. Vermutlich würde er noch von der Polizei verhört. Immerhin stellte das Ganze so etwas wie eine Ausnahmesituation dar. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sich das Kollegium im Lehrerzimmer versammelte, um das

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