Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
wissen.
„Ich habe auf dem Hof ein Gespräch zwischen zwei Lehrern mitbekommen, die sich fürchterlich über die Direktorin aufgeregt haben. Es ging um irgendwelche Schulinterna. Konferenzen, persönliches Verhalten.“
Bohlan kaute auf den Lippen. „Wir sollten das in jedem Fall im Auge behalten.“ Er notierte die Stichpunkte:
A. Fischer, Theatergruppe
und
Direktorin
in sein Notizbuch. Später wollte er sie auf das Whiteboard übertragen.
„Was ist mit dem persönlichen Umfeld?“, wandte Will ein. „Lea hatte doch so etwas wie eine beste Freundin …“ Sie blätterte in ihrem Notizbuch. „Irgendetwas mit N.“
„Natascha Weller“, sagte Steinbrecher.
„Ja, genau. Sie muss mit Lea ziemlich dicke gewesen sein.“
„War sie auch. Ich habe mich mit ihr unterhalten.“
„Und?“
„Sie war ziemlich durch den Wind. Soviel ich rausbekommen habe, kannten sie sich schon seit dem Kindergarten. Die Wellers wohnen nur wenige Meter von den Schusters entfernt. Sie haben ihre gesamte Schulzeit miteinander verbracht. Laut Natascha gab es die üblichen Höhen und Tiefen in einer Mädchenbeziehung.“
„Hat sie etwas zu Leas aktueller Situation gesagt?“
Steinbrecher schaute Will fragend an, als habe er nicht verstanden, was seine Kollegin von ihm wollte.
„Aktuelle Hobbys, Freund, was weiß ich.“
„Sie war die Seele der Schülerzeitung. Von einem Freund wusste Natascha nichts.“
„Schülerzeitung ist noch ein gutes Stichwort. Da wird es ja sicher so etwas wie ein Redaktionsteam geben. Das sollten wir auch unter die Lupe nehmen.“ Bohlan schrieb
Schülerzeitung
in sein Buch, schaute sich die Stichpunkte an und ergänzte sie noch mit
persönliches Umfeld
und
Tennisclub
. Er dachte nach, stand auf und lief im Klassenraum hin und her. Als er am Fenster angekommen war, schaute er auf den Parkplatz, der sich merklich geleert hatte. Neben dem Polizei-Van standen noch drei weitere Wagen dort, darunter ein blaues Beetle-Cabriolet. Unvermittelt musste Bohlan an seinen Vater denken, der Zeit seines Lebens Käfer gefahren war. Das laute Brummen des Boxermotors hatte sich in sein kindliches Gehirn eingebrannt wie die Tonrillen in eine Schallplatte. „Wahrscheinlich werde ich das Brummen eines Boxermotors noch erkennen, wenn ich alt und senil bin und mich an sonst nichts mehr erinnern kann“, murmelte Bohlan vor sich hin.
„Was?“, fragte Will.
„Ach nichts. Ich habe nur laut gedacht“, antwortete der Kommissar gedankenverloren und dann fiel ihm auf, dass irgendetwas an dem Beetle-Cabriolet nicht stimmte. Irgendetwas passte nicht in das Bild. Bohlan kniff die Augen zusammen und mit einem Schlag wurde ihm klar, was es war.
„Von Lichtenhagen scheint wirklich nicht sonderlich beliebt zu sein“, sagte Bohlan und drehte sich zu den anderen um.
„Wie kommst du jetzt darauf?“, fragte Steinbrecher.
„Weil jemand ihre Autoreifen aufgeschlitzt hat.“ Bohlan wandte sich wieder zur Fensterfront. „Seht selbst.“ Er nickte mit dem Kopf in Richtung Parkplatz.
„Du meinst den blauen VW?!“
„Ja,
AL
steht mit Sicherheit für Annette von Lichtenhagen.“
„Soll ich die Spurensicherung kommen lassen?“
Bohlan schaute Steininger mit zweifelndem Gesicht an. „Die Spurensicherung? Wegen aufgeschlitzter Reifen? Das meinst du nicht im Ernst!“
„Warum nicht? Was wissen wir schon von den Vorgängen an dieser Schule. Wer Autoreifen aufschlitzt …“
„… hackt auch Köpfe ab?“ Bohlan sah Steininger amüsiert an. „Das da unten sieht doch eher wie ein Schülerstreich aus.“
Lea Schuster lächelte. Natürlich lächelte sie nicht wirklich, aber der Mann, der vor dem großen Glas stand und ihr in die Augen blickte, dachte dies. Wie schön sie doch ist, stellte er zufrieden fest und spitzte die Lippen. Langsam näherte sich sein Mund der Glaswand, hinter der sich Leas Kopf befand und in einer Flüssigkeit schwamm. Es dauerte einige Sekunden, bis die Lippen das Glas berührten. Der Mann schloss die Augen und stellte sich vor, wie seine Lippen auf Leas warme, weiche Lippen trafen. Es war ein schönes Gefühl. Schade, dass sie seine Zuneigung nicht im gleichen Maße erwidert hatte. Sie hätte nicht sterben müssen, wenn sie ein bisschen freundlicher zu ihm gewesen wäre.
Nachdem Bohlan nach Hause gekommen war, legte er sich in den Liegestuhl, der auf dem Deck stand, trank ein Bier und versuchte Barbara Weber zu erreichen. Nach drei vergeblichen Versuchen sprach er ihr auf die Mail-Box und schrieb
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