Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
als er Bohlans entsetztes Gesicht sah.
Bohlan versuchte, sich zu konzentrieren. Die Welt um ihn begann sich zu drehen. Sein Adrenalinspiegel schien ins Unermessliche zu steigen. Eigentlich wollte er die Zurichtung der Leiche so lange wie möglich geheim halten und nicht in der Öffentlichkeit damit hausieren gehen. Nun aber war er an einem Punkt angekommen, wo die Enthauptung Lea Schusters eine ganz zentrale Rolle für die weiteren Ermittlungen spielen könnte. Bohlan räusperte sich. „Nichts, ich wundere mich nur, dass solche Gruselstücke neuerdings in Schultheatern aufgeführt werden. Zu meiner Zeit gab es nur klassische Stücke zu sehen.“
„Na, ja, eigentlich ist es auch ein sehr klassischer Stoff. Kennen Sie die Frankfurter Sage, die von Johann Faust handelt?“
„Faust? Das ist doch der Zauberer, der sich mit dem Teufel verbunden hat. Sie spielen also Goethe?“
„Nicht ganz. Aber mit dem Teufel hat es schon zu tun. Und damit, dass der berühmte Zauberer nach Frankfurt kam und einem schauerlichen Schauspiel ein tödliches Ende setzte.“ Fischer trank von seinem Cappuccino. „Kern des Stückes ist, dass vier Magier in einem Restaurant damit für Aufsehen sorgen, dass sie sich gegenseitig die Köpfe abschlagen und wieder aufsetzen, als sei es ein Kinderspiel. Mit diesem Trick wollen sie zeigen, dass sie größere Magier sind als Johann Faust. Als dieser davon erfährt, begibt er sich in das Restaurant und beobachtet aufmerksam das Geschehen. Schon bald hatte er den Trick erkannt. Auf dem Tisch stand eine Vase mit destilliertem Wasser. In ihr wuchs immer dann eine weiße Lilie, wenn einem der Zauberer der Kopf abgehauen wurde. Die Lilie verschwand, wenn der Kopf wieder fest auf dem Hals saß.“ Fischer schaute Bohlan an, der aufmerksam zugehört hatte und immer noch darüber nachdachte, ob und was dies alles mit dem Mord an Lea Schuster zu tun haben könnte. „Die Lilie ist ein Symbol für Unsterblichkeit. Was man dieser Blume im Guten wie im Bösen antut, das tut man auch dem an, für dessen Leben sie gerade blüht. Wahrscheinlich hat Lea sich die Lilie stechen lassen, weil sie für Unsterblichkeit steht.“
Leider hat das nicht viel genützt, dachte Bohlan. „Sie haben doch bestimmt so etwas wie ein Drehbuch, oder?“
„Sie meinen einen Plot. Ja, natürlich.“
„Könnte ich ein Exemplar bekommen?“
„Selbstverständlich. Ich kann Ihnen auch den Text der Sage geben. Die Geschichte scheint Sie ganz schön mitgenommen zu haben.“
„Nicht das Stück, aber die Parallelen zwischen Ihrem Theaterstück und der Wirklichkeit.“
„Sie sollten diesem Tattoo nicht allzu viel Bedeutung beimessen“, sagte Fischer und führte die Tasse zu seinem Mund.
„Es ist nicht die Lilie, die mich nachdenklich stimmt. Es ist die Tatsache, dass Leas Kopf verschwunden ist.“
Die Stones und Julia Will hörten Bohlan aufmerksam zu, der von der sagenhaften Kopfabschlagung im Theaterstück berichtete. Sie hatten sich noch einmal in den Klassenraum des Deutschleistungskurses zurückgezogen.
„Das kann kein Zufall sein“, platzte es aus Will heraus, nachdem Bohlan geendet hatte. „Die Parallele ist zu offensichtlich.“
„Ja, das denke ich auch“, erwiderte Bohlan. „Der Täter muss aus Leas Umfeld kommen.“
„Das engt die weiteren Ermittlungen deutlich ein“, sagte Will nachdenklich.
„Lass uns mal zusammentragen, was wir aus den heutigen Gesprächen alles mitgenommen haben“, schlug Steininger vor.
„Die Klasse war ziemlich geschockt und schweigsam, während ihr die anderen verhört habt.“
„Was hast du von Andreas Fischer für einen Eindruck?“, wollte Will wissen.
Bohlan zuckte mit den Schultern. „Auf den ersten Blick ein sehr engagierter Lehrer. Immerhin leitet er die Theater-AG.“
Will nickte. „Er scheint bei Lehrern und Schülern äußerst beliebt zu sein. Jedenfalls konnte ich das aus meinen Gesprächen heraushören. Zudem sieht er noch recht gut aus. Ich glaube, er übt vor allem auf die Schülerinnen eine besondere Anziehung aus.“
Bohlan blickte Will überrascht an. „Ist das dein persönlicher Eindruck oder hast du dafür fundierte Erkenntnisse?“
„Er ist ein attraktiver Mann. Und wenn man in die Augen der Mädchen geblickt hat, wenn sie von ihm berichtet haben, dann war da eine gewisse Schwärmerei zu erkennen. Reicht dir das?“
„Im Kollegium scheint es einige Unruhe zu geben“, sagte Steininger unvermittelt.
„Wie kommst du darauf?“, wollte Bohlan
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