Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
konnte man schön schattig sitzen. Kurz entschlossen ging Natascha die Treppen zum Außenbereich nach oben und hielt Ausschau. Die einzigen bekannten Gesichter waren allerdings die einer Gruppe Jungs aus dem Bioleistungskurs, die laut und ausfallend lachten und Karten spielten. Ihrem Benehmen nach hatten sie schon einiges an Alkohol intus. Natascha drehte sich schnell wieder um. Schon im nüchternen Zustand war diese Clique nicht zu ertragen. Angetrunken waren sie der reinste Horror. Sie hoffte inständig, dass die Jungens sie nicht bemerkt hatten, und verließ den Drosselbart. An der Theke des Eiscafés am Weißen Stein erstand sie zwei Bällchen Eis und schlenderte den Weg zurück. Sie überquerte die Eisenbahnbrücke, lief durch Alt-Eschersheim, um dann auf den Weg einzubiegen, der am Heddernheimer Fußballplatz vorbei Richtung Schwimmbad führte. Ungefähr an der Stelle, an der dem Vernehmen nach Leas Leiche gefunden worden war, bog sie nach links in die Kleingärten ab. Sie war immer noch eine viertel Stunde zu früh, aber das war ihr jetzt auch egal. Wenn er noch nicht da war, würde sie sich einfach auf die Bank vor der Hütte setzen und warten.
Julia Will ließ die Sonnenbrille von ihrer Stirn auf die Nase rutschen und startete den Motor. Kurz blickte sie noch einmal hinunter zum Hausboot. Tom Bohlan war bereits durch die Eingangstür verschwunden. Sie lenkte den Wagen den Berg hinauf, am Bolongaropalast vorbei und kurvte durch die Höchster Straßen in Richtung Autobahn. Der Himmel war immer noch blau und die Sonne schien mit einer beachtlichen Intensität. Im Radio spielten sie die ersten Takte des Songs
36 Grad
der Band 2Raumwohnung. Will drehte den Lautstärkenregler hoch und begann, lauthals mitzusingen. Sie war wild entschlossen, den Rest des Samstages zu genießen. Gearbeitet hatte sie für heute genug, auch wenn sie in der Sache nicht wirklich weiter gekommen waren. Besonders ergiebig war das Gespräch mit Natascha nicht gewesen und eigentlich hatten sie auch nicht mehr erfahren, als sie schon vorher gewusst hatten. Doch es gab durchaus das eine oder andere Detail, das nach dem Gespräch aufgetaucht war und das es im Auge zu behalten galt. Insbesondere bei der Frage nach möglichen Freunden der beiden Mädchen hatte Natascha sich auffällig zurückhaltend gezeigt. Konnte das ein Ansatzpunkt sein? Bohlan und sie hatten eifrig hin und her überlegt. Manchmal stellen sich kleine, zunächst unscheinbar erscheinende Details im Laufe der Ermittlung als wichtige Puzzleteile heraus. Abschalten, Julia. Du musst die Gedanken abschalten, versuchte sich die Kommissarin immer wieder selbst einzuschärfen. Sie hatte bereits am frühen Nachmittag zu Hause sein wollen, doch dann hatte sie sich mit Bohlan total verquasselt. Das Chillen in Omas Garten musste definitiv ausfallen. Für den Abend hatte sie sich mit ihrer Freundin Konstanze Beckstein verabredet. Ein Blick auf die Uhr verriet Will, dass sie es nicht mehr schaffen würde, nach Hause zu fahren. Sie drehte die Lautstärke wieder hinunter und stöpselte die Kopfhörer ihres Handys ins Ohr. Zunächst rief sie bei ihrer Oma an und teilte ihr mit, dass sie nicht mehr nach Hause kommen würde. Annegret Will zeigte Verständnis, doch Julia merkte an ihrem Tonfall, dass sie ein wenig eingeschnappt war. Wahrscheinlich hatte sie gehofft, neue Details zum mysteriösen Todesfall zu erfahren. Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, fühlte sie ein schlechtes Gewissen in sich aufsteigen. Natürlich war es kein Drama, wenn ihre Oma die neusten Ermittlungsergebnisse erst am nächsten Morgen erfuhr. Andererseits wäre es überhaupt kein Problem gewesen, die Recherchen im Main-Taunus-Zentrum früher zu beenden. Jetzt war es aber nicht mehr zu ändern. Um wieder auf angenehmere Gedanken zu kommen, wählte sie die Nummer ihres Freundes. Alex war am Morgen mit einigen Kumpels zum Langener Waldsee aufgebrochen und den Hintergrundgeräuschen nach zu urteilen, hielt er sich dort immer noch auf. In der Tat verlief dieses Gespräch deutlich positiver als das erste. Die Stimmung bei den Jungs schien ausgelassen, fast überschwänglich zu sein. Vermutlich hatten sie schon das eine oder andere Bierchen gezischt. Nachdem auch dieses Gespräch beendet war, zog Julia Will die Stöpsel aus dem Ohr, drehte die Musik wieder lauter und stellte die Gedanken ab.
Natascha Weller wurde allmählich unruhig. Er war bereits eine halbe Stunde überfällig. Konnte es sein, dass er die Verabredung
Weitere Kostenlose Bücher