Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
Fenster zu und wollte sich gerade wieder auf die Couch legen, als er ein erneutes Klopfen vernahm. Diesmal konnte er das Geräusch eindeutig orten, es kam vom Eingang her. Eine Hand traf auf Metall. Bohlan lief in den kleinen Flur und stellte sich direkt hinter die Tür.
„Wer ist da?“
„Tom bist du noch wach? Ich bin’s. Barbara.“
Tom beeilte sich, die Tür zu öffnen. Dann trat er an die Reling und öffnete auch die Metalltür, die sich zwischen Boot und Zugangssteg befand. Sie war mannshoch und sollte ungebetene Gäste abhalten. Barbara schlüpfte hinein und der Kommissar verschloss sämtliche Türen.
„Bist du wieder vor der Glotze eingepennt?“ Barbara ließ sich auf das Sofa fallen.
„Sieht wohl ganz so aus.“ Bohlan konnte nur mit Mühe ein Gähnen unterdrücken. „Wie spät ist es eigentlich?“
„Fast zehn.“
„Schön, dass du da bist. Hast du noch Hunger?“
„Komm mal her“, erwiderte Barbara und winkte mit dem Finger.
Bohlan ließ sich das nicht zweimal sagen und setzte sich neben sie. Sie küssten sich.
„Ehrlich gesagt habe ich wirklich noch Hunger. Ich habe seit dem Mittag nichts mehr gegessen“, Barbara löste sich aus seinen Armen.
„Soll ich dir schnell was kochen?“
Barbara schaute überrascht. „Ich will ja nicht unken, aber dein Kühlschrank ist auf solche Überfälle normalerweise nicht vorbereitet.“
Bohlan sprang auf. „Lass mal schauen.“ Er ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Eine angebrochene Packung Handkäs, ein Eierkarton und zwei Tomaten waren das Einzige, was er sehen konnte.
„Sieht wirklich nicht gerade ergiebig aus.“
„Hab ich es mir doch gedacht“, lachte Barbara. „Was hältst du von einem Spaziergang zur Wunderbar?“
Natascha lag erschöpft auf ihm. Ihr Atem beruhigte sich allmählich. Der Herzschlag kehrte langsam wieder zu seinem normalen Rhythmus zurück. Sie hob den Kopf, der an seinem Hals gelegen hatte, und betrachtete sein Gesicht. Er hatte seine Augen geschlossen. Wie schön wäre es, immer bei ihm sein zu können. Dieses verdammte Versteckspiel war einfach nicht zum Aushalten. Die ganze Heimlichtuerei ging ihr gewaltig auf die Nerven. Mit ihm war sie glücklich. Mit ihm wollte sie leben. Ihn wollte sie lieben, aber nicht nur in einer gammeligen Gartenlaube, sondern vor aller Öffentlichkeit. Am Anfang ihrer Beziehung war es ein großes Abenteuer. Der Reiz des Verbotenen hatte der Leidenschaft eine zusätzliche Komponente gegeben. Aber auf Dauer war das kein Zustand. Sie beugte sich zu ihm hinunter und berührte zärtlich seine Lippen. Langsam öffnete er die Augen, blickte sie an und strich ihr mit der Hand über die Wangen.
„Du bist so schön“, sagte er.
Sie lächelte. „Nur schön?“, fragte sie kokett und richtete sich auf. Sie legte ihre Hand auf seine Brust und begann, an seiner Brustwarze zu spielen.
„Du Hexe“, sagte er mit einem Lächeln. Doch dann wurde sein Gesicht ernst.
„Wir müssen reden.“ Seine Worte trafen sie wie der Einschlag einer Kanonenkugel. Wenn Männer diesen Satz sagen, ist es meist die Einleitung für das Ende. Doch das konnte Natascha nicht glauben. Es konnte, es durfte nicht sein, dass ihr Traum wie eine Seifenblase zerplatzte.
„Du willst jetzt nicht Schluss machen?“, platzte es aus ihr heraus.
Er sah sie mit unverändertem Blick an. Die nächsten Sekunden krochen elend langsam dahin.
„Nein“, sagte er. Ein Wort wie eine Erlösung. „Trotzdem müssen wir reden. Bitte zieh dir was über.“
Nachdem sie sich beide angezogen hatten, setzten sie sich an den Tisch. Er zündete sich eine Zigarette an, sog das Nikotin in sich ein und blies nach kurzer Zeit eine Wolke wieder aus, die sich mit der Spannung mischte, die in der Luft lag. „Wir sollten uns einige Zeit nicht sehen“, sagte er schließlich und beobachtete Nataschas Gesicht, das jede Farbe verloren zu haben schien und wie ein Stein wirkte.
„Also willst du doch Schluss machen?“ Ihre Lippen bebten.
„Nein, will ich nicht. Ich liebe dich und das weißt du. Aber die ganze Situation ist zu gefährlich geworden. Wir brauchen Zeit. Sieh mal, Natascha, du machst im nächsten Jahr Abitur. Danach haben wir alle Freiheit der Welt.“
Natascha blickte ihn entgeistert an. „Du willst, dass wir unsere Beziehung bis zu meinem Abitur auf Eis legen? Das kannst du nicht wirklich wollen!“
„Es geht nicht darum, was wir wollen. Es geht darum, was jetzt in dieser Situation vernünftig ist.“
„Vernünftig?
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