Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
Leben schwer macht und seine Opfer köpft.“
„Er köpft seine Opfer?“
„So sieht es aus. Die beiden Leichen, die wir gefunden haben, waren kopflos. Die Köpfe sind bislang nicht wieder aufgetaucht. Sieht ganz so aus, als habe der Täter sie mitgenommen.“ Julias Stimme klang finster.
„Das hört sich gruselig an“, sagte Annegret Will. „Ich glaube, darauf brauche ich einen Schnaps. Du auch?“
Will zuckte unschlüssig mit den Schultern.
Tom Bohlan war froh, dass er es geschafft hatte, sein Auto ohne größere Komplikationen nach Höchst zu fahren. Langsam rollte er über das Kopfsteinpflaster in Richtung Parkplatz, wo er den Wagen abstellte und ausstieg. Für einen Moment blieb er am Ufer Stehen und ließ seinen Blick über das Wasser in Richtung der Frankfurter City schweifen. Die Hochhäuser der Mainmetropole schickten ihre Lichter in Richtung Himmel. Er machte sich auf den Weg in Richtung Hausboot. Als er die Hälfte zurückgelegt hatte, kramte er in seiner Jacke nach dem Schlüssel. Er richtete den Blick nach vorn zur Tür, hinter der der Steg zum Boot lag. Irgendetwas war nicht wie sonst. Irgendwas hatte sich verändert. Der an der Tür klebende kleine gelbe Zettel war ein erster Hinweis auf eine entscheidende Veränderung. Barbara verwendete kleine gelbe Zettel als Gedankenstützen und klebte sie gerne an alle möglichen Orte. Meist standen nur wenige Worte darauf, zum Beispiel
Milch,
wenn sie am nächsten Tag etwas einkaufen musste. Oder
Eintracht-Trainer,
wenn sie die Idee zu einer neuen Reportage hatte. Bohlan legte die letzten Schritte zurück und riss den Zettel von der Tür. Es war einer jener Zettel, die von Barbaras Notizblock stammten und es stand auch nur eine Frage drauf: „Wo warst du???“
Verdammt, durchzuckte es Bohlan. Er war für diesen Abend mit Barbara verabredet gewesen. Da machte sich seine Freundin extra auf den Weg von Mainz nach Frankfurt, um ihn zu sehen, und er hatte nichts Besseres zu tun, als sich mit Steinbrecher die Hucke voll zu saufen. Hektisch holte er sein iPhone aus der Jacke und ließ sich mit Barbaras Handy verbinden, wo allerdings nur die Mailbox antwortete. Verdammter Mist.
„So, und nun erzähl mal, was es mit dem Kopfjäger auf sich hat“, sagte Annegret Will, nachdem sie zwei gut gefüllte Schnapsgläser und eine Flasche Marillenbrand auf den Tisch gestellt hatte.
„Wie gesagt: Die beiden Mädchen wurden nach ihrem Tod geköpft und zwar am Halsansatz.“ Sie hielt ihre Hand wie ein Messer unter ihren Kehlkopf. „Ist wirklich kein schöner Anblick.“
„Das glaube ich. Aber was hat das mit den Frankfurter Sagen zu tun?“
„Beide waren Mitglied in der Theater-AG der Schule und die beschäftigt sich mit Frankfurter Sagen. Sie haben gerade ein Stück über den Zauberer Johann Faust in Bearbeitung. Und wie es der Zufall will, geht es darin um geköpfte Zauberer.“
Annegret Will hob das Schnapsglas an und setzte es an den Mund. „Wirklich ein guter Brand“, sagte sie, nachdem sie das Glas in einem Zug geleert hatte. „Ich kenne die Geschichte. Johann Faust lebte vor einigen hundert Jahren in dieser Gegend und war ein gefürchteter Zauberer und Magier. Er hatte sich mit dem Teufel verbündet und seine Zauberkraft war mächtig und stark. Einmal war er auch in Frankfurt und wie es der Zufall wollte, trieben zur gleichen Zeit einige Zauberer in einem Gasthaus nahe der Judengasse ihr Unwesen. Sie hieben sich gegenseitig die Köpfe ab und setzten sie sich wieder auf, als wäre nichts gewesen.“
„Genauso wie in dem Theaterstück, das die Schüler aufführen wollten“, schob Julia Will ein.
„Johann Faust, auch Doktor Faust genannt, wollte sich dieses Schauspiel ansehen und schlich sich in das bekannte Gasthaus, wo er sich unerkannt unter das Volk mischte. Er sah sich das Treiben einige Zeit an. Neidlos musste er anerkennen, dass die Zauberer durchaus Meister ihres Fachs waren. Das Publikum blickte gebannt auf das Treiben. Vielen stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Einige Frauen waren der Ohnmacht nahe und auch gestandene Männer konnten den Anblick nur durch ungezügelten Konsum vom Bier und Wein ertragen. Der Wirt rieb sich die Hände und die Zauberer rühmten sich, mächtiger als der sagenumwobene Doktor Faust zu sein. Dieser wiederum beobachtete das widerwärtige Handeln eine Zeit lang und kam relativ schnell hinter das Geheimnis. Auf dem Tisch vor den Zauberern stand eine Vase, in der sich eine weiße Lilie in destilliertem
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