Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
minutenlang drauf. „Wer ist dieses Mädchen und was ist aus ihr geworden?“ Bohlans Finger deutete auf das Foto. Steininger rutschte ein wenig unruhig auf dem Stuhl hin und her und schaute Steinbrecher unsicher an.
„Was ist los?“, fragte Bohlan, der die Blicke bemerkt hatte.
„Hm, also“, begann Steininger. „Wir haben das Mädchen identifiziert.“
„Und? Wer ist es? Wo wohnt sie? Können wir sie befragen? Mensch, Jan, lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.“
„Sie heißt Marie. Marie Kilb. Aber das mit dem Befragen wird schwierig. Es sei denn, du kannst mit Toten kommunizieren. Sie wurde vor über zwanzig Jahren beerdigt, allerdings ohne Kopf. Der ist bis heute verschwunden.“
Steininger vermied es, Bohlan anzublicken. Der Kommissar begann zu rechnen. „Aber das würde ja heißen, dass sie ungefähr nach dem Ende ihrer Schulzeit gestorben ist.“
„Gestorben trifft die Sache nicht ganz“, warf Steinbrecher ein. „Sie wurde geköpft.“
Bohlan schmetterte seine Faust auf den Tisch. „Warum zum Teufel erfahre ich das erst jetzt? Warum habt ihr mir das bislang verschwiegen?“
„Weil wir es erst herausgefunden haben, als du mit Julia unterwegs warst. Und außerdem sind wir davon ausgegangen, dass wir den Mörder sowieso identifiziert haben. Von daher ...“, wurde nun auch Steininger laut.
„Ja, ja, schon gut.“ Bohlan ließ sich die neuen Erkenntnisse durch den Kopf gehen. Bislang hatte alles darauf hingedeutet, dass Michael Pergande der Kopfjäger war. Auch die Ereignisse, die sich vor mehr als zwei Jahrzehnten zugetragen hatten, änderten daran nichts. In gewisser Weise verstärkten sie sie sogar. Nichts sprach dagegen, dass Pergande auch damals bereits einen Mord begangen haben könnte. Vielleicht war es genau dieses Ereignis, dass die Freundschaft der drei zerstört hatte? Vielleicht war es so, dass die anderen etwas über den Mord gewusst und aus Freundschaft geschwiegen haben. Eine gemeinsame Schuld. Eine Narbe, die verwachsen war und erst diesen Sommer wieder aufgebrochen war. Nun war auch klar, was Pergande gemeint hat, als er immer wieder von vier Köpfen sprach. Es musste tatsächlich einen vierten Kopf geben. War Pergande doch nicht so durchgeknallt, wie es den Anschein hatte? Könnte es sein, dass sie in die falsche Richtung gedacht hatten?
„Ich nehme einmal an, dass der Mord damals nicht aufgeklärt worden ist“, sagte Bohlan.
„Ganz genau. Der Täter konnte nicht gefasst werden. Ich habe die Akten bereits auf dem PC“, sagte Steininger und vermied geflissentlich zu erwähnen, dass Staatsanwältin Maurer sie angefordert hatte. Natürlich würde Bohlan auch das früher oder später erfahren, doch Steininger hoffte, dass die dosierte Weitergabe der Informationen der schonendere Weg war.
„Gut.“ Bohlan nahm das Foto vom Board und legte es in die Mitte des Tisches. „Gehen wir davon aus, dass die heutigen Morde tatsächlich etwas mit der Vergangenheit zu tun haben. Und nehmen wir weiter an, dass der Täter von damals der gleiche ist wie heute und nicht Michael Pergande heißt, dann ...“
„... haben wir es nicht mit einem Kopfjäger, sondern mit einer Kopfjägerin zu tun.“ Es war Jan Steininger, der Bohlans Gedanken aufgriff. „Wenn es nicht Pergande war, kommen nämlich nur zwei andere Personen in Frage, von denen eine ausscheidet: Fischer hätte die beiden Mädchen umbringen können, aber nicht sich selbst.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach: „Annette von Lichtenhagen.“
„Und warum lag sie dann auf Pergandes Seziertisch?“
Steininger dachte kurz nach. „Pergande hat bis vor kurzem nicht gewusst, wer damals der Täter war. Erst die jüngsten Ereignisse haben ihn auf die richtige Fährte gebracht. Doch statt uns zu benachrichtigen, wollte er sich an von Lichtenhagen rächen. Er lockte sie zu sich und wollte sie den gleichen Tod sterben lassen.“
„Und was für ein Motiv sollte er gehabt haben?“
Steininger zog die Stirn in Falten, bevor er weitersprach. „Vielleicht gab es damals so etwas wie eine Eifersuchtstat. Vielleicht war von Lichtenhagen in Pergande oder Fischer verliebt, dieser aber in das andere Mädchen. Um sie auszuschalten, hat von Lichtenhagen die Rivalin zur Seite geschafft. Pergande konnte Marie nicht vergessen und wollte nun Rache nehmen.“ Steininger blickte wieder zu Bohlan: „Und, Chef, was hältst du von meiner Theorie?“
„Sie ist nicht schlecht. Aber sie hat ein paar Schwächen.“
Steininger
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