Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
Ihre Kollegin vor mir auf dem Boden lag, wollte ich nur schnell weg. Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne. Natürlich kann ich sehr gut verstehen, wenn Sie Zweifel hegen. Aber es war so, wie ich es Ihnen gesagt habe.“
Bohlan schaute von Lichtenhagen immer noch zweifelnd an.
„Sie sprachen vorhin davon, dass Sie Pergande für verrückt halten. Was veranlasst Sie zu dieser Einschätzung?“
„Ich hatte Pergande viele Jahre nicht gesehen. Das letzte Mal muss es an unserer Hochzeit gewesen sein. Danach hatten wir keinen Kontakt mehr. Darüber war ich eigentlich ganz froh. Er war schon damals so ein komischer Kauz.“
„Wie meinen Sie das?“, hakte Bohlan nach.
„Er hat mich immer so komisch angesehen und wenig gesagt. Er machte den Anschein, dass er einen an der Waffel hat. Wir sind einfach nicht miteinander warm geworden.“
„Er war ein alter Freund Ihrer Frau?“, fragte Will, obwohl sie das natürlich schon wusste.
„Ja, genau. Sie stammen aus dem gleichen Ort, sind zusammen in Kindergarten und Schule gegangen.“
„Warum wurde er zu ihrer Hochzeit eingeladen?“
„Wie man das eben so macht. Man lädt die Menschen ein, die irgendwann im Leben eine wichtige Rolle gespielt haben, auch wenn es länger her ist.“
Bohlan nickte. Er musste an die Hochzeiten einiger Freunde aus Kindertagen denken, zu denen er eingeladen worden war. Bei manchen hatte er es merkwürdig gefunden und trotzdem hatte er sich gefreut und es waren meist schöne Feiern gewesen, bei denen man alte Bekannte wiedergetroffen hatte.
„War auch Andreas Fischer auf Ihrer Hochzeit?“
„Ja, der war ein ganz anderes Kaliber. Eloquent, charmant und witzig.“
„Und er hatte eine schöne Frau“, sagte Will und biss sich dabei fast auf die Zunge. Eigentlich wollte sie Bohlan die Gesprächsführung überlassen.
„Warum sagen Sie das?“
„Ist es nicht so, dass Sie eine Affäre mit ihr haben?“
Bohlan hatte den Eindruck, dass von Lichtenhagen für einen winzigen Augenblick aus seinem Konzept zu geraten schien.
„Ja, das ist so“, sagte er schließlich. „Aber sie war damals noch nicht dabei. Fischer hat sie erst später kennengelernt.“
„Ist auch nicht so wichtig“, sagte Bohlan. „Und was ist nach der Hochzeit passiert? Gab es noch weiteren Kontakt zu Pergande?“
„Mit mir nicht. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass meine Frau noch Kontakt hatte.“
„Warum nicht?“
„Weil sie mir davon berichtet hätte. Außerdem hatte sie mir vor wenigen Monaten ganz überrascht erzählt, dass Fischer und Pergande Lehrer an der Willy-Brandt-Schule sind.“
„Und dann? Was ist dann passiert?“
„Pergande rief plötzlich dauernd bei uns an. Wollte sich mit Annette treffen. Ganz besonders penetrant wurde er, nachdem die ersten beiden Morde passiert waren. Er war fast täglich auf unserem Anrufbeantworter.“
„Was hat er gewollt?“
„Hat er mir nicht gesagt. Er wollte immer nur mit Annette sprechen.“
„Und sie hat Ihnen nicht erzählt, was er wollte?“
„Nein, denn sie hat seine Anrufe ignoriert. Sie wollte nicht mit ihm sprechen. Bis letzte Woche. Da hat sie plötzlich mit ihm Kontakt aufgenommen und heute Abend ist sie zu ihm zum Essen gefahren.“
„Seltsamer Meinungsumschwung, oder?“
„Mag sein.“ Bohlan wartete auf eine längere Erklärung. Als diese ausblieb, sagte er: „Haben Sie sie nicht gefragt?“
„Ich habe einmal den Versuch unternommen, doch Annette hat das weitere Gespräch abgeblockt. Ich habe dann nicht weiter nachgehakt. Wenn sie über etwas nicht reden will, ist daran nichts zu machen. Außerdem hatten wir sowieso in letzter Zeit etwas Funkstille.“
„Wegen Ihrer Affäre.“
„Ja.“
„Trotzdem haben Sie sich heute Sorgen gemacht.“
Bohlan musste seine Gedanken sortieren, um die weitere Vernehmung in klaren Bahnen zu halten. Er hatte den Eindruck, bereits einigermaßen tief im Morast zu stecken, aber er war noch nicht tief genug, um den Grund allen Übels zu erfassen. „Wie sollte es denn Ihrer Meinung nach weitergehen – mit Ihnen beiden?“
Von Lichtenhagen zuckte resigniert mit den Schultern. „Ich weiß, dass ich meine Frau nicht verlieren will. Gleichzeitig fühle ich mich von Katharina angezogen. Für sie ist es nicht leicht – nach dem Verlust ihres Mannes sowieso nicht. Aber meine Frau braucht mich jetzt mehr als jemals zuvor. Wahrscheinlich muss ich auf Katharina verzichten.“
Rührend, wie sich alle um einander sorgen, dachte Bohlan. Sie betrügen
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