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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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aller
Illusionskünstler» ausfindig zu machen. Alles in allem gab es zwischen drei-
und vierhundert Gräber auf dem von einer niedrigen Mauer umgebenen
Friedhofsgelände. Romantische Engelsgestalten und Madonnen wachten an den
Grabstätten einiger zu Lebzeiten besonders anerkannter Bürger der Stadt, viele
andere waren durch keltische Kreuze geziert. In der Mehrzahl jedoch lagen die
Toten unter sehr viel einfacheren, heute vielfach vernachlässigten
Gedenksteinen. Auch Donavans Grab gehörte zu dieser letzten Kategorie, sein mit
Moos und Flechten überzogener Stein war nicht mehr als etwa siebzig Zentimeter
hoch und wies an vielen Stellen weiße und ockerfarbene Verfärbungen auf. Er war
offenbar schon ein bißchen eingesunken und stand um etwa zwanzig Grad geneigt,
auch war er schon sehr verwittert, vor allem in der Mitte, so daß nur noch die
Buchstaben zum rechten und Unken Rand hin in ihren Umrissen erkennbar waren.
     

     
    «Das ist er!» rief Morse
triumphierend. «Die Initiale hat offenbar für
gestanden.»
    «Gott sei seiner Seele gnädig»,
sagte Mulvaney pietätvoll und fügte skeptisch hinzu: «...das heißt, wenn
Donavan überhaupt bei ihm angekommen ist.»
    Morse griente und wünschte, er
hätte Mulvaney schon früher kennengelernt. «Und wie wollen Sie erklären, daß
wir jetzt gleich...»
    «Wir graben ein Grab, Sor! Bei
hellem Tageslicht... eine absolut normale Angelegenheit.» Es ging alles sehr
schnell. Mulvaney hatte die beiden Männer, die er für die Arbeit angefordert
hatte, angewiesen, östlich des Steins ein Rechteck auszuheben, und schon bei
etwa sechzig Zentimeter Tiefe stieß einer der Spaten auf Holz. Es war der Sarg.
Nachdem alle Erde fortgeschaufelt und rechts und links der Grube aufgehäuft
war, bückten Morse und Mulvaney auf einen schlichten Sargdeckel, der am Rand
eingekerbt war. Der Sarg selbst war aus Rüsternholz und schon etwas verzogen,
insgesamt aber noch in recht gutem Zustand. Es schien nicht notwendig, den ganzen
Sarg ans Tageslicht zu befördern, und Morse, der wieder einmal mit seinem
übergroßen Horror vor Leichen zu kämpfen hatte, lehnte dankend ab, als Mulvaney
ihm höflich anbot, ob er nicht derjenige sein wolle, der den Deckel abnahm.
    So war es schließlich Mulvaney
selbst, der, mit gespreizten Beinen über der Grube stehend und dabei mit den
Füßen fast im feuchten Lehm versinkend, den Deckel anzuheben versuchte. Es war
leichter als erwartet, die metallenen Schrauben, die ihn gehalten hatten, waren
offenbar im Laufe der Zeit zerfallen. Das erste, was Mulvaney und Morse sahen,
war weißlicher Schimmel, der von der Unterseite des Deckels herabhing, und eine
Art fester Decke, die ebenfalls mit Schimmel überzogen war.
    Der Boden des Sarges war,
soweit sichtbar, mit bräunlichem, feuchtem Sägemehl bedeckt, das so frisch
aussah, als habe die Beerdigung gerade erst gestern stattgefunden. Plötzlich
stutzte Morse.
    «Wundervoll erhalten, der Sarg,
nicht wahr, Sor? Das liegt an dem moorigen Boden hier», kommentierte der erste
Totengräber.
    Ja, sieht der Mann denn gar
nicht, was los ist? dachte Morse. In der Tat schien der Totengräber erstaunter
über den Konservierungszustand des Sarges als über das Fehlen der Leiche. Denn
der Sarg enthielt keine Leiche. Man hatte nicht Donavan, sondern mehrere,
in Teppich gehüllte Stücke Torf zu Grabe getragen. Von Donavans sterblichen
Überresten war keine Spur, und auch noch nicht einmal ein Schnipsel von einem
seiner Handzettel.

Kapitel 35
     
    Das
Wissen eines Mannes stirbt mit ihm, auch seine Tugenden geraten allmählich in
Vergessenheit, allein die Dividende aus den Wertpapieren, die er vererbt,
vermag die Erinnerung an ihn wachzuhalten.
     
    Oliver
Wendell Holmes, Der Professor am Frühstückstisch
     
     
    Morse fühlte sich nach seiner
Rückkehr aus Irland von Tag zu Tag kräftiger und hatte bald das subjektive
Gefühl, jenen Zustand relativen Wohlbefindens erreicht zu haben, den sein Arzt
als Gesundheit bezeichnete. Und mehr konnte er schließlich nicht verlangen.
    Er hatte sich vor kurzem eine
alte Furtwängler-Aufnahme des «Rings» gekauft, und während er Stunde um Stunde
der göttlichen Musik lauschte, war der Fall Joanna Franks immer mehr in den
Hintergrund getreten. Die Sache hatte ihm Spaß gemacht und ihn während seiner
Genesung abgelenkt, aber jetzt war Schluß damit. Er war sich zu fünfundneunzig
Prozent sicher, daß man damals die beiden Falschen gehenkt hatte, und die
restlichen fünf

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