Mord am Vesuv
dass sich kein Mob zusammenrottet, dass es keinen Aufruhr gibt und dass keine aufwieglerischen Reden über Kriege geschwungen werden, die vor Jahrhunderten ausgetragen wurden. Sobald es zu irgendwelchen Unruhen kommt, werde ich keinen Augenblick zögern, zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung Soldaten anzufordern. Habt ihr das verstanden?«
»Aber Praetor«, protestierte Silva, »wir sind doch nicht in Gallien oder Sizilien. Wir leben in einer friedfertigen, rechtschaffenen Gemeinschaft und beachten die Gesetze Roms.«
»Das will ich hoffen«, entgegnete ich. »Und sorgt dafür, dass das auch in Zukunft so bleibt!« Ich wusste schon damals, dass man sich als Autoritätsperson gleich von Anfang an Respekt verschaffen muss. In diesem Fall galt das ganz besonders, denn die einzige Rechtfertigung für meine Einmischung war, dass ein Ausländer unter Verdacht stand. Trotzdem hatte ich von diesen Männern heftigeren Protest gegen mein Vorgehen erwartet.
Offenbar wollte mit diesem Fall keiner etwas zu tun haben. Das würde ich im Hinterkopf behalten.
IV
Ich stapfte in der grauen Morgendämmerung zurück zum Haus. Auf halbem Weg stieß ich auf den Stallmeister, einen auffallend hinkenden, ziemlich großen Mann, der nach seinem Aussehen zu urteilen Spanier war. Ich glaubte ihm anzusehen, dass er in der Kavallerie gedient hatte.
»Der Praetor hat nach mir geschickt?«
»Ja. Du bist mit den etlae geritten, hab ich Recht?«
Meine Vermutung schien ihn zu erfreuen. »Fünfte Reiterkohorte, Prae-tor. Wir waren im Krieg gegen Sertorius Teil der vierten Legion und haben erst unter dem Feldherrn Metellus und dann unter Pompeius gedient. Ich bin Regilius.«
»Freut mich zu hören, Regilius. Feldherr Metellus war mein Onkel. Mit Pompeius bin ich zum Glück nicht verwandt.«
Er grinste. »Pompeius war nicht gerade das, was man sich unter einem Feldherrn vorstellt, jedenfalls nicht in diesem Krieg.
Dein Onkel hat wenigstens selbst gegen Sertorius gekämpft.
Pompeius hingegen hat lediglich die Anhänger dieses Abtrünnigen bestochen und es ihnen überlassen, Sertorius zu töten.«
»Sehr wahr«, stimmte ich ihm zu. »Ich habe eine besondere Aufgabe für dich, Regilius. Ich möchte, dass du einmal den ganzen Olivenhain umrundest und den Boden nach Hufabdrücken absuchst. Wenn sich in der vergangenen Nacht jemand dem Hain genähert hat, möchte ich wissen, wie viele es waren und was für Pferde sie geritten haben.«
Er grinste mich erneut an. »Ich hab mich zwar schon seit Jahren nicht mehr als Kundschafter oder Fährtenleser betätigt, aber ich habe nichts vergessen. Wenn ich irgendwo Spuren eines Pferdes entdecke, weißt du innerhalb der nächsten Stunde Bescheid.« Zum Abschied bedachte er mich mit einem schludrigen militärischen Gruß, machte auf dem Absatz kehrt und rief seine Reitknechte herbei. Ich hatte das angenehme Gefühl, endlich einmal jemanden gefunden zu haben, der sein Geschäft verstand.
Zurück im Haus machte ich es mir auf einer der Terrassen bequem und ließ das Frühstück auftragen. Wie von magischer Hand wurden mir schon nach kürzester Zeit Tabletts mit heißem Brot, mundgerecht zerkleinerten Früchten und Schalen mit Kräuteröl und Honig serviert. Dazu gab es warmen, stark gewässerten Wein, der zudem leicht gesäuert war. Dieses Getränk stand bei Hortalus und vielen Angehörigen seiner Generation in dem Ruf, selbst den müdesten Mann munter zu machen. Normalerweise mochte ich dieses anregende Gebräu nicht besonders, aber im Moment war es genau das Richtige für mich. Während ich schweigend aß und vor mich hingrübelte, sah ich einen Zug von Sänften die Straße entlang auf das Haus zukommen. Julia und die anderen Frauen meines Gefolges hatten es also auch endlich geschafft.
Die Träger der ersten Sänfte kamen die Stufen zur Terrasse herauf und setzten ihre Last ab. Im nächsten Moment entstieg Julia der Trage. Aus dem Innenraum war ein leises Schnarchen zu vernehmen.
»Diese dummen Gänse«, schimpfte Julia, während sie sich an dem kleinen Tisch niederließ und ich ihr von dem heißen Wein einschenkte. »Sie haben den ganzen Rückweg geschlafen. Nicht einmal ein Mord vermag sie wach zu halten.« Sie nippte an ihrem Becher und verzog das Gesicht. »Das schmeckt ja grässlich! Erzähl schon! Ich kann es kaum erwarten.«
Ich berichtete ihr, was sich in der Nacht zugetragen hatte. Sie folgte meinen Darstellungen mit größter Konzentration. Julia verfügte über einen messerscharfen
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