Mord am Vesuv
Vielleicht wurde Gorgo ja auch von einem flüchtigen Sklaven überrascht, der sich im Olivenhain versteckt hatte und sie umgebracht hat, damit sie nicht um Hilfe schreit. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass sich in den Bergen immer noch jede Menge Verbrecher herumtreiben, und Diebe gibt es überall.«
»Hätten Diebe und Verbrecher den Schmuck meiner Tochter zurückgelassen?«, entgegnete Diocles verächtlich. »Es war Gelon! So etwas kann nur passieren, wenn man es Sklavenhändlern gestattet …«
»Genug, Diocles!«, fuhr Norbanus dazwischen. »Wir alle trauern mit dir. Aber der Tod deiner Tochter ist jetzt eine Angelegenheit für die Magistrate.«
»Wir werden schon sehr bald Licht in die Sache bringen«, versprach ich. »Hermes!«
»Praetor?«
»Weck meine Liktoren! Sie sollen sich umgehend auf ihre Pferde schwingen, und zwar in voller Aufmachung und mit sämtlichen Insignien. Du und Marcus nehmt euch frische Pferde und begleitet die Liktoren. Ihr spürt Gelon auf und nehmt ihn fest. Dann bringt ihr ihn umgehend zu mir!«
»Aber Praetor!«, rief Gaeto aufgebracht. »Das ist nicht recht!
Du hast keinen Grund, ihn …«
Ich nahm ihn eilig beiseite und versuchte ihn zu beruhigen.
»Ich habe jede Menge Gründe, ihn festzunehmen, auch wenn sie nichts mit Gerechtigkeit zu tun haben. Ich nehme deinen Sohn zu seinem eigenen Schutz in Gewahrsam. Die Leute, die gestern Abend bei Norbanus zu Gast waren, haben die Nachricht von Gorgos Tod längst überall verbreitet und dafür gesorgt, dass inzwischen jeder in dieser Region Gelon für den Mörder hält - weil er der Sohn eines Sklavenhändlers ist und ein Ausländer, und weil er lebt und sich benimmt wie ein urlaubender Prinz.
Vielleicht belagert der Mob sogar schon dein Haus. Wenn meine Männer ihn dort rechtzeitig rausholen können, bringe ich ihn hier in der Villa Hortensia unter. Du solltest dich meinem Vorhaben nicht widersetzen.«
Er nickte. »Ja, du hast natürlich Recht. Ich sehe mich derweil nach dem besten Anwalt um, den Kampanien zu bieten hat.«
»Mit ein bisschen Glück braucht dein Sohn gar keinen Rechtsbeistand, aber wenn ich du wäre, würde ich mir trotzdem schon mal einen besorgen.«
Plötzlich fiel mir etwas ein. »Annius!«, rief ich nach dem Verwalter.
»Praetor?«, entgegnete er dienstbeflissen und kam herbeigeeilt.
»Schick den Stallmeister zu mir! Aber nicht den, der sich um die Ställe kümmert, sondern den, der für die Pferde zuständig ist.«
»Sofort, Praetor.« Er dachte gar nicht daran, seine Verwunderung zum Ausdruck zu bringen. Für den armen Annius ging alles viel zu schnell.
»Und nun noch einmal zu dir, Gaeto«, fuhr ich fort. »Ich rate dir dringend, dich absolut ruhig zu verhalten. Das Mindeste, womit du rechnen musst, ist, dass die Leute dich anpöbeln.
Außerdem musst du auf die numidischen Leibwächter deines Sohnes achten. Sollte es auch nur einer von ihnen wagen, seinen Speer gegen einen Bürger zu richten, lasse ich die gesamte Bande ans Kreuz schlagen. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
»Ich mache alles, was du sagst, Praetor«, versprach er und neigte den Kopf. »Solltest du etwas für meinen Sohn tun können …«
»Ja, ja, ich tue, was ich kann. Ich persönlich glaube sowieso nicht, dass er den Mord begangen hat. Aber meine persönliche Meinung ist nicht das, was zählt.«
Ich ging hinüber zu der Menge, die sich immer noch am Rande des Olivenhains drängte. »Alle mal herhören! Offenbar sind alle der Ansicht, dass Gelon der Mörder ist, der Sohn von Gaeto dem Numider. Deshalb übernehme ich als Praetor Peregrinus die Ermittlungen in diesem Fall. Ich stelle den Verdächtigen in meiner Villa unter Hausarrest, bis ein Verhandlungstermin anberaumt und seine Verteidigungsrede vorbereitet ist.«
»Dafür besteht kein Anlass«, wandte Norbanus ein.
»Schließlich verfügt die Stadt Baiae über einen hervorragenden Kerker. Meiner Meinung nach sind Verbrecher dort bestens untergebracht.«
»Ich möchte ihm diese floh verseuchte Grube und die Gesellschaft von flüchtigen Sklaven und Kriminellen gern ersparen. Deshalb bleibt es dabei - er wird hierher gebracht und steht unter meiner Aufsicht.« Ich ließ meine Worte wirken und fasste die versammelten Würdenträger ins Auge. »Ich möchte, dass ihr jetzt in eure Häuser zurückkehrt und euren Pflichten nachgeht. Außerdem sollt ihr wissen, dass ich jeden von euch für das Verhalten eurer Mitbürger verantwortlich machen werde.
Sorgt also dafür,
Weitere Kostenlose Bücher